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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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Evelyn nicht in gutem Zustand war: Ihre komischen Haare mit der Dauerwelle standen in alle Richtungen ab, und ihre Augen waren knallrot. Aus all den Gesprächen zwischen meiner Mutter und ihr, die ich mit angehört hatte, wusste ich, dass Evelyn immer nur ein paar Stunden pro Nacht schlief.
    Ich sag dir was, Adele, hatte sie früher immer verkündet. Das Leben ist kein Spaziergang.

    Ich muss mit deiner Mom reden, sagte sie jetzt. Evelyn brauchte nicht zu fragen, ob meine Mutter zuhause war. Sie war zwar lange nicht hier gewesen, aber sie wusste, wie unser Leben aussah.

    Sie schläft noch, sagte ich. Ich war vor die Tür getreten, anstatt sie hereinzubitten, weil ich wusste, dass Frank in der Küche war. Und Arme Ritter oder so etwas zubereitete, dem Geruch von heißer Butter nach zu schließen.
    Ich hab grade einen Anruf von meiner Schwester aus Massachusetts bekommen, sagte Evelyn. Unser Vater hatte einen Schlaganfall. Ich muss sofort runterfahren. Und Barry kann ich da nicht mitnehmen. Ich hatte gehofft, deine Mutter könnte heute auf ihn aufpassen. Meine beiden Babysitter sind über das lange Wochenende weggefahren.
    Ich schaute an ihr vorbei auf Barry, den ich auch lange nicht gesehen hatte. Er war größer, als ich ihn in Erinnerung hatte, und auf seiner Oberlippe zeichnete sich ein leichter Flaum ab. Er wedelte mit den Armen, als wolle er Fliegen vertreiben, aber es waren keine da.
    Ich hab ihm sein Mittagessen eingepackt, sagte Evelyn. Was er am liebsten isst. Er hat schon gefrühstückt, und die Windel ist gewechselt. Deine Mutter hätte nicht viel zu tun. Ich könnte zum Abendessen wieder hier sein, wenn ich jetzt losfahre.
    Im Haus lief das Radio, dieser Klassiksender, den Frank gerne hörte. Vom oberen Treppenabsatz rief meine Mutter, Wer ist denn da? Dann kam sie zur Tür, im Bademantel. Ihr Gesicht sah weich aus, und sie hatte einen Fleck am Hals.
    Ich fragte mich, ob Frank sie wieder gefesselt und das Tuch zu fest gebunden hatte, aber es schien ihr gut zu gehen. Sie wirkte nur verändert.
    Es ist grade nicht so günstig, Evelyn, sagte meine Mutter.

    Sie rechnen damit, dass mein Dad nicht mehr lange lebt, sagte Evelyn.
    Normalerweise würde ich keine Sekunde zögern, erwiderte meine Mutter. Aber im Moment passt es wirklich schlecht. Sie wandte den Kopf Richtung Küche, als sie das sagte. Es roch nach Kaffee, und Frank pfiff munter vor sich hin.
    Ich würde nicht fragen, wenn ich jemand anderen hätte, sagte Evelyn. Du bist meine einzige Hoffnung.
    Ich würde dir gerne helfen, sagte meine Mutter. Aber es ist nicht so einfach.
    Ich verspreche dir, dass er brav sein wird.
    Evelyn strich Barry übers Haar, während sie sprach. Erinnerst du dich noch an Henry und seine Mom, Barry? Wie nett wir es zusammen hatten?
    Also gut, sagte meine Mutter. Ich schätze mal, wir werden klarkommen. Wenn es nicht für lange ist.
    Tausend Dank, Adele. Evelyn kippte den Rollstuhl an, um ihn über die Schwelle zu schieben, so dass Barry einen Moment beinahe quer lag. Er gab ein Geräusch von sich, das sich so ähnlich anhörte wie die Laute, die ich am letzten Abend aus dem Zimmer meiner Mutter gehört hatte. Es waren einfach Töne, vielleicht freudige Laute. Schwer zu sagen.
    Hallo, Barry, sagte ich. Wie geht’s?
    Tausend Dank, Adele, sagte Evelyn noch einmal. Ich nehme Henry gerne jederzeit zu mir. (Als sei ich mit Barry zu vergleichen. Als wollte ich bei ihnen sein.)
    Ich weiß, dass du’s eilig hast, Evelyn, sagte meine Mutter. Fahr ruhig los, wir schieben Barry rein. Henry ist inzwischen echt kräftig.

    Ja, ich sollte zusehen, dass ich auf die Autobahn komme, sagte Evelyn. Je früher ich losfahre, desto schneller kann ich auch wieder hier sein. Parkt den Rollstuhl einfach vor dem Fernseher, dann ist Barry glücklich. Er liebt Cartoons. Und diese Spendenshow mit Jerry Lewis.
    Mach dir keine Sorgen, sagte meine Mutter. Das klappt schon alles.

    Als Evelyn und Barry noch häufig zu Besuch kamen, sagte meine Mutter immer, wir sollten das Haus behindertengerecht machen. Aber dann kamen sie nicht mehr, und wir hatten natürlich nichts unternommen. Und jetzt mussten wir Barrys Hightech-Rollstuhl die Stufen zur Haustür hoch und ins Wohnzimmer befördern.
    Der Stuhl mitsamt Barry war schwerer, als wir erwartet hatten. Nachdem Evelyn weggefahren war, kam Frank aus der Küche. Er hob den Rollstuhl einfach hoch und trug ihn behutsam ins Haus. Als er durch die Wohnzimmertür trat, achtete er darauf, dass Barrys Kopf nicht an den

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