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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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des Monats namens Kerri aus einem alten Playboy, den ich mal bei meinem Vater entdeckt und heimlich in meinem Rucksack nach Hause geschmuggelt hatte, obwohl – ärgerlicherweise – das große Foto in der Mitte fehlte. Aber eigentlich kannte ich nur eine einzige Frau, und das war meine Mutter. Was immer ich mir also unter Frauen vorstellte, hatte letztendlich mit ihr zu tun.

    Ich wusste, dass die Leute meine Mutter hübsch oder sogar schön fanden. Als sie damals bei meiner Theateraufführung in der Schule war, sprach mich ein Achtklässler an, den ich nicht mal kannte, und sagte, Deine Mutter ist scharf.
    Ich fing grade an, stolz zu sein, als er etwas hinzufügte.
    Ich wette, wenn du älter wirst, wollen deine ganzen Freunde sie bumsen.
    Dass sie mit ihrer Tänzerinnenfigur gut aussah, machte nur einen Teil ihrer Attraktivität aus. Ich glaube, meine Mutter vermittelte – wie durch einen Geruch oder ein Zeichen auf ihrem T-Shirt – die Botschaft, dass sie keinen Mann an ihrer Seite hatte. Es gab auch noch andere geschiedene Eltern an meiner Schule, aber keine Mutter
schien sich so vollständig zurückgezogen zu haben wie meine, so als sei sie von einem fremden Stamm in Afrika oder vielleicht aus Indien, wo das Leben einer Frau zu Ende ist, wenn ihr erster Mann stirbt oder sie verlässt.
    In all den Jahren nach der Trennung traf sie sich meines Wissens nach nur einmal mit einem Mann. Das war ein Typ, der unsere Heizung repariert hatte. Er hatte den ganzen Vormittag im Keller verbracht, auf Rohre geschlagen und Luft durch die Heizkörper geblasen, um sie zu reinigen. Als er wieder auftauchte und meiner Mutter die Rechnung gab, entschuldigte er sich dafür, dass er so viel Dreck im Haus gemacht hatte.
    Ich schätze mal, Sie sind Single, sagte er. Sie tragen keinen Ring.
    Ich saß in der Küche und machte Schulaufgaben, als er das sagte, aber das schien ihn nicht zu stören.
    Kann ja ziemlich einsam werden, sagte er. Vor allem im Winter.
    Ich habe meinen Sohn, gab meine Mutter zur Antwort und fragte ihn, ob er Kinder habe.
    Wollte ich immer, sagte er. Aber dann hat meine Frau mich verlassen. Jetzt hat sie ein Kind von einem anderen.
    Ich weiß noch, wie merkwürdig ich diese Äußerung fand. Es hörte sich an, als besitze man ein Kind. Ich war das Kind meiner Mutter, aber jetzt kam ich ins Grübeln. Gehörte Marjories Baby meinem Vater?
    Tanzen Sie gern?, fragte der Mann. In der Moose Lodge ist nämlich diesen Samstag eine Veranstaltung. Wenn Sie Zeit hätten.

    Ob sie gerne tanzte? Was für eine Frage. Meine Mutter konnte nicht lügen.

    Er brachte ihr Blumen, als er sie abholte. Sie trug eines ihrer Tanzkleider mit einem weiten schwingenden Rock, der aber nur ihre Bewegungen betonte und ihre Beine entblößte, nicht ihre Unterwäsche wie damals, als sie meinen Vater kennen lernte.
    Der Mann hatte sich auch feingemacht. Als er wegen der Heizung zu uns kam, hatte er seine Firmenmontur getragen, auf der über der linken Brusttasche sein Name aufgestickt war, Keith. Aber an diesem Abend trug er ein eng anliegendes Hemd aus irgendeinem Kunststoff, das er so weit aufgeknöpft hatte, dass man seine Brusthaare sehen konnte. Es wirkte, als habe er darüber nachgedacht und die Haare vielleicht sogar zurechtgezupft, so dass sie zu sehen waren. Da ich miterlebt hatte, wie meine Mutter sich zum Ausgehen fertig machte – sie hatte dreimal das Kleid gewechselt, bevor sie sich entschieden hatte –, konnte ich mir das mit den Brusthaaren gut vorstellen.
    Ich hatte keine Brusthaare. Mein Vater hatte viele, aber ich sah ihm ohnehin kein bisschen ähnlich. Manchmal fragte ich mich, ob ich überhaupt sein leiblicher Sohn war oder ob das vielleicht schon immer Richard gewesen war. Vielleicht lag da irgendeine Verwechslung vor.
    Meine Mutter engagierte keine Babysitter. Sie kannte gar keine, da sie ja nie irgendwohin ging, wohin ich sie nicht begleitete. Außerdem fand sie es gefährlicher, mich mit einem Babysitter allein zu lassen als ganz allein. Schließlich
gab es jede Menge Leute, die auf den ersten Blick einen netten Eindruck machten, in denen man sich aber auch täuschen konnte.
    Ich stell dir was zu essen hin, sagte sie. Sie hatte mir auch ein Buch über das Leben im alten Griechenland aus der Bücherei geholt und ein Hörbuch über einen Jungen, der auf einer Insel im Südpazifik gestrandet war, wo er drei Jahre lang ganz alleine lebte, bis er von einem Frachter gerettet wurde. Und eine Aufgabe für mich vorbereitet, von der

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