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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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mir nie erlaubt, zu denken, dass ich da womöglich nie wieder rauskomme, sprach er weiter. Ich hab einfach abgewartet und mich aufs positive Denken verlegt. Hab nach der Lücke Ausschau gehalten und dafür gesorgt, dass ich vorbereitet war, als sie sich dann gezeigt hat.
    Bis zu diesem Moment hatte keiner von uns auch nur ein Wort über seine Flucht verloren. Ich wunderte mich, dass Frank jetzt darüber sprach.
    Ich konnte ja nicht vorher wissen, dass mein Blinddarm
meine Fahrkarte werden würde, sagte er. Aber auf dieses Fenster hatte ich mich vorbereitet. Im Kopf war ich da schon tausendmal rausgesprungen. Hatte jede Einzelheit tausendmal durchgespielt – der Sprung und wie ich landen musste. Wäre auch alles gut gegangen, wenn da nicht unter dem Gras ein Stein gewesen wäre, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Da ist das mit dem Knöchel passiert.
    Ich wusste, dass ich eine Geisel brauchen würde. Eine ganz besondere Person.
    Er sah meine Mutter an. Sie sah ihn an.
    Und dann, sagte er, stellt sich ja auch die Frage, wer hier der Geiselnehmer und wer die Geisel ist.
    Er beugte sich dicht zu ihrem Ohr und strich ihr Haar beiseite, als wolle er direkt in ihr Gehirn sprechen. Vielleicht glaubte er, ich könne ihn nicht hören. Oder es war ihm einfach egal.
    Ich bin dein Gefangener, Adele, sagte er zu ihr.

10
    Ich dachte, Barry könnte vor dem Fernseher bleiben, aber Frank meinte, er hätte bestimmt Spaß an unserem Spiel, und trug ihn nach draußen auf den Rasen, wo er ihn in einen Gartenstuhl setzte und ihm die Red-Sox-Kappe aus dem Pricemart auf den Kopf drückte. Wir waren weit genug von der Straße entfernt, dass uns außer Barry niemand sehen konnte.
    Du musst jetzt deine Lieblingsmannschaft anfeuern, mein Junge, sagte Frank zu Barry.
    Mach dir bloß keine Hoffnungen, sagte ich zu Frank. Du hast noch nie jemanden gesehen, der schlechter Baseball spielt als ich. (Höchstens vielleicht Barry. Aber ich wollte ihn nicht kränken.)
    Kommst du mir schon wieder damit?, erwiderte Frank. Hast du nicht verstanden, was ich dir übers positive Denken erzählt habe?
    Oh, na klar, sagte ich. Ich werde der beste Center Fielder seit Mickey Mantle sein.
    Mantle war nicht im Center Field, versetzte Frank. Aber so ungefähr stelle ich mir das vor, ja.
    Und jetzt kam das Komische. Als Frank den Ball warf, fing ich ihn. Als meine Mutter rauskam und wir ihr meinen
Handschuh gaben und sie als Catcher einsetzten, traf ich Franks Würfe. Nicht alle, aber doch viel öfter als sonst. Man könnte glauben, er hätte es mir leicht gemacht, aber nicht mal das schien wirklich der Fall zu sein.
    Er stellte sich neben mich auf das imaginäre Schlagmal und korrigierte die Haltung meiner Hände, den Winkel zwischen Ellbogen und Handgelenk, so ähnlich wie meine Mutter es gemacht hatte, als sie mir Foxtrott beibrachte.
    Den Ball sehen, sagte er ganz leise, bevor er mich losließ. Ich sprach die Worte unwillkürlich nach, als könnten sie mir zu einem Treffer verhelfen. Und es hatte fast den Anschein, als ob das wirklich klappte.
    Wenn ich eine ganze Saison mit dir arbeiten könnte, sagte Frank, würdest du tolle Fortschritte machen. Dein Problem war nur in deinem Kopf. Wenn du dich als Niete siehst, dann bist du’s auch.
    Stell dir vor, fügte er hinzu, du springst in einem Krankenhaus aus dem Fenster und landest auf beiden Füßen – hast vielleicht ein paar Glassplitter auf dem Kopf, einen Schnitt am Schienbein, aber du bist frei.
    Du bist ehrlich gesagt nicht derjenige, der mir hier Sorgen macht, Henry, sondern deine Mutter.
    Du bräuchtest ein paar ernsthafte Fördermaßnahmen, Adele, sagte er zu ihr. Mit dir müsste ich deutlich länger arbeiten. Vielleicht sogar viele Jahre.
    Als meine Mutter lachte, fiel mir auf, wie lange ich das nicht mehr gesehen hatte. Frank war immer noch Pitcher, aber er verließ jetzt die Stelle, die er zum Pitcher’s Mound erklärt hatte, und ging zu meiner Mutter. Dort stellte er sich
so hin, dass er mit seinen langen Armen um sie herumgreifen konnte. Schick einen rüber, Henry, sagte er und warf mir den Ball zu.
    Nur einen Pitch, da ja niemand als Catcher im Einsatz war. Ich hob den Arm und ließ den Baseball los. Holte aus. Ein sattes dumpfes Knallen. Der Ball flog durch die Luft.
    Barry in seinem Gartenstuhl kreischte vor Aufregung.

    Mein Vater rief an. Er und Marjorie waren zu einer Grillparty eingeladen, und er wollte wissen, ob wir das Essen bei Friendly’s auch auf morgen verschieben konnten. Seine

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