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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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Freunden daheim erzähle, sind die immer ganz fertig. Ich will damit nicht sagen, dass das auch für dich gilt. Ist mehr so ein allgemeiner Eindruck.
    Mir war nicht danach zumute, ihr jetzt zu gestehen, dass ich gar keine Freunde hatte. Zumindest niemanden, den ich ungern zurücklassen würde – nur ein paar andere Außenseiter in der Schule, die in der Cafeteria gemeinsam mit mir an dem Tisch für Nieten saßen, weil sie überall anders unerwünscht waren. Sibirien sozusagen.
    Mein Problem, sagte ich, ist nicht, weggehen zu müssen, sondern zurückgelassen zu werden. Vielleicht gibt’s da grade irgendeinen Trend bei den Müttern.

    Denn meine schien mich ja auch loswerden zu wollen. Es sah aus, als wollten ihr Freund und sie mich zu meinem Vater und dessen Frau Marjorie und deren Sohn abschieben, den mein Vater vermutlich lieber mochte als mich. Und dann gab es da noch das Baby Chloe, das mich immer vollspuckte, wenn ich dazu gezwungen wurde, es auf den Arm zu nehmen.
    Ich hätte nie geglaubt, dass meine Mutter so was mit mir machen würde, sagte ich.
    Das liegt am Sex, erwiderte Eleanor. Wenn Leute Sex miteinander haben, wirkt sich das auf ihr Gehirn aus. Die sind dann nicht mehr richtig normal.
    An dieser Stelle hätte ich anmerken können, dass meine Mutter wohl schon nicht mehr richtig normal war, bevor sie mit Frank Sex hatte. Ich fragte mich, ob Eleanor über die Folgen von Sex so gut informiert war, weil sie selbst Erfahrung damit hatte, oder ob sie auch das in einem Buch gelesen hatte. Sie wirkte nicht unbedingt wie jemand, der schon sexuell erfahren war, aber sie schien eindeutig mehr zu wissen als ich. Für den Fall, dass sie doch aus Erfahrung sprach, wollte ich nicht preisgeben, dass ich – abgesehen von den nächtlichen Geschehnissen in meinem Bett – noch keine sexuellen Erlebnisse vorweisen konnte. Allerdings schien mir ihre Theorie ziemlich überzeugend, wenn ich daran dachte, was sich in letzter Zeit in meinem eigenen Hirn abspielte. Ich dachte allmählich fast nur noch an Sex, außer wenn ich mich in Gedanken mit Frank und meiner Mutter beschäftigte, aber auch dabei spielte Sex ja eine Rolle.

    Es ist, als hätten sie irgendwelche Drogen genommen, sagte ich. Ich sah eine Fernsehwerbung vor mir. Zuerst sah man eine Bratpfanne auf dem Herd. Dann zwei Hände, die ein Ei hielten.
    Das ist Ihr Gehirn, sagte eine Stimme.
    Das Ei wird aufgeschlagen und landet in der Pfanne. Man sieht, wie Eigelb und Eiweiß im Fett brutzeln und dabei die Farbe verändern.
    Das ist Ihr Gehirn unter Drogeneinfluss.
    Es stellte sich heraus, dass Eleanor sich Informationen über ihre Rechte als Minderjährige (sie war vierzehn) besorgen wollte, um ihre Eltern zu verklagen. Sie überlegte sich auch, einen Anwalt zu nehmen, wollte sich aber zuerst mal selbst kundig machen.
    Ich hab einen Brief an das Internat geschrieben, das ich mir ausgesucht hatte, sagte sie. Um zu hören, ob sie mich vielleicht doch aufnehmen würden, wenn ich die Klos putze oder so, um die Gebühren zu bezahlen. Aber ich hab noch nichts von denen gehört.
    Ich berichtete ihr, dass meine Mutter wohl am Dienstag, wenn die Schule wieder anfing, gleich morgens zur Bank fahren, ihr ganzes Geld abheben und mit ihrem Freund Richtung Norden fahren würde. Vermutlich packte sie gerade schon. Wahrscheinlich hatten sie mich deshalb weggeschickt. Oder um noch mehr Sex zu haben.
    Eleanor erkundigte sich, ob meine Mutter sich mit ganz vielen Männern getroffen hätte. Ob sie in Bars herumhing, auf Annoncen antwortete und so was.
    Nee, sagte ich. Meine Mutter ist nicht der Typ – Ich unterbrach
mich. Eigentlich konnte ich überhaupt nicht sagen, was für ein Typ Mensch sie war. Es gab niemanden, der sich mit ihr vergleichen ließ. Meine Mutter ist –, fing ich noch mal von vorne an. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass meine Stimme mitten im Satz wegkippte. Ich tat, als müsse ich mich räuspern, aber Eleanor hatte vermutlich gemerkt, dass ich meine Gefühle nicht im Griff hatte.
    Du kannst es ihr nicht mal vorwerfen, sagte sie. Es ist, als hätte er sie mit einem Zauber belegt oder so. Oder hypnotisiert. Solche Männer benutzen dafür ihren Penis anstatt eine Uhr an einer Kette wie früher.
    Ich versuchte möglichst ungerührt zu wirken, als sie das Wort Penis sagte. Mir war noch nie ein Mädchen begegnet, das dieses Wort so laut aussprach. Nur meine Mutter machte das. Als ich vor ein paar Jahren mit Giftsumach in Berührung gekommen war und überall an den

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