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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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Sendung an und blätterte nebenbei das Buch durch, das ich ausgeliehen hatte: Die Mysterien der Maritimen Provinzen: Land der Träume. Dann griff ich nach der Zeitung und las die Schlagzeile noch mal. Belohnung ausgesetzt. Zehntausend Dollar.
    Ich sollte ihn loswerden, meinte Eleanor. Ihn aus meiner Welt schaffen.
    Ich dachte an ein Mountainbike. Eine Videokamera. Ein Paintball-Gewehr. Einen Katalog, den ich im Flugzeug angeschaut
hatte, als ich mit meinem Vater und Marjorie von Disneyworld zurückflog, in dem es alle möglichen faszinierenden Sachen zu sehen gab, von denen ich noch nie gehört hatte: ein Hoverboard, eine Popcornmaschine für zuhause, eine Uhr, auf der man die Zeit überall auf der Welt sehen konnte, ein Gerät, mit dem man seine Badewanne in ein Jacuzzi verwandeln konnte, solarbetriebene Fackeln, zwei Dinger, die aussahen wie Felsen, in Wirklichkeit aber Lautsprecher aus Fiberglas für Gartenfeste und Grillpartys waren. Mit zehntausend Dollar konnte man sich alles aus dem Katalog kaufen, was einen interessierte.
    Wenn sie Frank abholten, würde meine Mutter traurig sein, aber sie würde darüber hinwegkommen und schließlich einsehen, dass ich nur zu ihrem Besten gehandelt hatte.

14
    Du fragst dich wahrscheinlich, warum du keine Geschwister hast, sagte meine Mutter einmal zu mir, während wir unser Fertiggericht aßen. Ich war damals etwa neun und hatte mir diese Frage noch nie gestellt, aber ich nickte trotzdem, weil ich merkte, dass meine Mutter jetzt über dieses Thema reden wollte.
    Ich wollte eigentlich immer mindestens zwei Kinder oder am liebsten noch mehr haben, sagte sie. Als ich dich bekam, wusste ich zum ersten Mal außer beim Tanzen, warum ich eigentlich auf der Welt war.
    Ein halbes Jahr nach deiner Geburt blieb meine Periode aus.
    Manche Kinder in meinem Alter hätten wohl nicht gewusst, wovon sie redete. Aber ich war schon so lange mit meiner Mutter alleine, dass ich über all das Bescheid wusste. Und noch über vieles mehr.
    Meine Tage kamen immer vollkommen regelmäßig, von Anfang an, sagte sie. Deshalb wusste ich genau, was das zu bedeuten hatte. Ich brauchte keine Bestätigung vom Arzt.
    Aber dein Vater wollte nicht so schnell ein weiteres Kind. Er sagte, wir hätten nicht genug Geld, und außerdem ärgerte es ihn, dass ich so viel Zeit mit dir verbrachte, anstatt
mich um ihn zu kümmern. Er hat mich zu einer Abtreibung überredet. Ich wollte das nicht. Für mich war jedes Kind, auch wenn es zum ungünstigsten Zeitpunkt kam, ein Geschenk. Ich habe deinem Vater damals gesagt, dass es gefährlich sei, Gott zu spielen. Auf ideale Umstände warten zu wollen, denn die würde es ohnehin nie geben.
    Aber er brachte mich in eine Klinik. Ich bin allein in diesen kleinen Raum gegangen, er blieb draußen. Ich zog ein Papierhemd über und stieg auf den Tisch, legte die Beine in diese Steigbügel. Aber das sind andere Steigbügel als bei Pferden, Henry, sagte sie.
    Sie schalteten eine Maschine ein, erzählte sie, und dann ging dieses Brummen los wie bei einem Generator oder einem riesigen Abfallzerkleinerer. Sie lag da und horchte, während diese Maschine weiter brummte. Die Schwester sagte etwas zu ihr, aber meine Mutter konnte es nicht hören, weil das Brummen zu laut war. Als alles vorbei war, wurde sie in einen anderen Raum geschoben, wo sie ein paar Stunden neben Frauen lag, bei denen an diesem Morgen auch ein Abbruch vorgenommen worden war. Als sie wieder rauskam, wurde sie von meinem Vater erwartet, der allerdings zwischendurch weggegangen war, um Einkäufe zu erledigen. Auf der Heimfahrt hatte sie nicht geweint, sondern die meiste Zeit aus dem Fenster gestarrt, und als mein Vater sie fragte, wie es gewesen sei, konnte sie nichts sagen.

    Seit dieser Abtreibung habe ich mir nichts so sehr gewünscht, wie noch einmal schwanger zu werden und das
Kind diesmal zu behalten, sagte meine Mutter. Verstehst du?
    Ich verstand es nicht, aber ich nickte. Für mich ergab es keinen Sinn, erst so einen Aufwand zu treiben, um kein Kind zu kriegen, und dann unbedingt wieder eines zu wollen. Vielleicht hatte mein Vater so was gemeint, als er mich fragte, ob ich sie für verrückt hielt.
    Aber schließlich ließ er sich auf ihren Wunsch ein. Damit sie ihn in Ruhe ließ. Und meine Mutter wurde wieder schwanger und war überglücklich. Ich war damals zwei Jahre alt, und sie hatte alle Hände voll mit mir zu tun. Sie kannte Frauen, die darüber klagten, dass ihnen morgens übel war, dass sie Schmerzen in

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