Der Duft des Sommers
der Brust hatten oder sich ständig müde und erschöpft fühlten, aber meine Mutter fand jeden einzelnen Augenblick der Schwangerschaft wunderbar.
Irgendwann gegen Ende des dritten Monats – als der Fötus etwa so groß sein musste wie eine Limabohne (das wusste sie aus ihrer täglichen Lektüre von Die ersten neun Monate des Lebens ) – wachte sie eines Morgens mit schrecklichen Krämpfen im Bauch auf, und ihr Laken war blutbefleckt. Bis zum Nachmittag brauchte sie drei Binden auf, und das Blut floss immer weiter.
Drei Binden sind ziemlich viel, Henry, sagte sie. Ich wusste nicht, was eine Binde war, aber ich nickte.
Bei der Untersuchung sagte ihr der Arzt, Fehlgeburten kämen öfter vor, und es gäbe keinen Grund zu glauben, dass sich das wiederholen müsste. Sie sei jung und gesund und könne es bald wieder probieren.
Ein paar Monate später wurde meine Mutter wieder
schwanger. Diesmal beschloss sie, ihre Umstandskleider erst anzuziehen, wenn die Schwangerschaft weiter fortgeschritten war, aber sie erzählte immerhin ein paar Freundinnen davon (damals hatte sie noch welche). Mir hatte sie es wohl auch erzählt, aber ich konnte mich nicht daran erinnern. Damals war ich knapp drei Jahre alt.
Am Ende des dritten Monats bekam sie wieder Blutungen. Als sie auf der Toilette saß, um zu pinkeln, spürte sie, wie etwas aus ihr herausrutschte. Als sie ins Klo guckte, sah sie etwas, das wie ein Blutklumpen aussah, und sie wusste, dass sie nicht mehr schwanger war. Was sollte sie tun? Abspülen?
Zuerst stand sie nur da, aber dann kniete sie sich hin, holte den blutigen Klumpen aus der Schüssel und trug ihn in den Garten. Mit den Fingern versuchte sie ein Loch zu graben, aber da kaum Mutterboden da war, war sie nicht sehr erfolgreich.
Das wäre dein Bruder oder deine Schwester gewesen, sagte sie.
Dieses Kind lag jetzt wohl im Garten des Hauses begraben, in dem mein Vater und Marjorie wohnten. Ich musste immer noch daran denken, dass man es auch im Klo hätte herunterspülen können.
Als meine Mutter bald darauf wieder schwanger wurde, rechnete sie nicht damit, dass es gut gehen würde, und sie hatte recht. Diesmal hatte sie die Fehlgeburt schon nach dem zweiten Monat – und ihr war nicht mal übel gewesen morgens, was schon das erste schlechte Zeichen gewesen war.
Da wusste ich, dass Gott mich bestrafen wollte, sagte sie. Du warst ein wunderbares Geschenk für uns gewesen, und ein halbes Jahr nach deiner Geburt hatten wir ein weiteres wunderbares Geschenk bekommen. Aber wir waren so dumm, zu glauben, wir könnten auf dieselbe beliebige Art Eltern werden, wie wir tanzen gingen – und nun wusste ich, dass wir vielleicht keine weitere Chance bekommen würden.
Doch das vierte Mal begann alles viel besser. Ich fand es großartig, dass mir übel war, erzählte sie. Meine Brüste wurden voller, um die sechste Woche, wie es sein soll, und ich war im siebten Himmel.
Weißt du nicht mehr, wie ich dich mit zum Arzt genommen habe?, sagte sie. Er hat dir den Ultraschall gezeigt, und ich habe gesagt, schau, da ist dein Brüderchen. Denn obwohl es noch so klein war, konnte man schon den Penis sehen.
Nein, sagte ich. Ich erinnerte mich nicht mehr daran. Ich hatte so viele Erinnerungen, dass es mir manchmal lieber war, wenn ich etwas vergessen konnte.
Als der Arzt damals zum ersten Mal auf den Ultraschall schaute und meinte, alles sähe bestens aus, bat ihn meine Mutter, zur Sicherheit noch ein zweites Mal nachzusehen. Als sie ein paar Wochen später ein sonderbares Gefühl im Bauch hatte, glaubte sie zuerst, es würde wieder dasselbe passieren. Sie legte die Hand auf den Bauch und spürte eine merkwürdige Regung, wie wenn ein Fisch dicht unter der Wasseroberfläche schwimmt. Sie legte auch meine Hand
auf ihren Bauch, damit ich es spüren konnte. Mein kleiner Bruder begann herumzupaddeln.
Meine Mutter war überglücklich. Es ist uns eine Weile nicht so gut gegangen, erklärte sie mir, als wir auf meinem Bett lagen und Curious George lasen. Aber das ist vorbei. Jetzt wird alles gut. Früher habe ich es für selbstverständlich gehalten, Kinder zu haben. Jetzt bin ich für alles dankbar, was mir geschenkt wird.
Dann setzten ihre Wehen ein, und sie trugen den Koffer zum Auto, den sie vor so langer Zeit schon gepackt hatte – lange vor der ersten Fehlgeburt. Die Wehen zogen sich lange hin, aber der Herzschlag des Kindes war normal, bis zu diesen letzten schrecklichen Minuten, und dann verlegten sie meine Mutter in den
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