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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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Vielleicht esse ich auch gar nichts mehr, und dann werden sie mich wieder zur Spezialbehandlung in die Klinik schicken.
    Es geht nicht, sagte ich. Ich bin zu jung.
    Ich konnte nicht fassen, dass ich das gesagt hatte.
    Ich glaube, meine Mutter und Frank versuchen alles so gut hinzukriegen, wie es geht, sagte ich. Sie können nicht anders.
    Du bist völlig unrealistisch, entgegnete Eleanor, stand auf und zog ihr Höschen wieder über diese dürren Beine, die mich an Hühnerknochen erinnerten.
    Ich hab schon geahnt, dass du ein Trottel bist, sagte sie, aber ich dachte immer, irgendwas Gutes steckt in dir. Weit gefehlt. Du bist ein echter Blödmann.
    Sie blickte auf mich herunter, wischte sich den Staub von der Brust und flocht ihren Zopf, der sich aufgelöst hatte.

    Ich kann gar nicht begreifen, wie ich dich jemals cool finden konnte. Du hattest echt recht. Du bist eine Vollniete.

    An diesem Abend brachte meine Mutter eines unserer Fischfertiggerichte auf den Tisch. Davon waren noch so viele in der Tiefkühltruhe, dass man ein paar davon aufbrauchen sollte, fand sie.
    Wir aßen schweigend. Meine Mutter hatte ein Glas Wein getrunken und goss sich dann ein zweites ein, Frank trank gar nichts. Während des Essens stand ich auf und ging ins Wohnzimmer. Im Fernsehen tanzten als Rosinen verkleidete Schauspieler um eine gigantische Müslischale.
    Der Wagen war fast fertig gepackt. Morgen früh wollten wir losfahren, nach einem Zwischenhalt bei der Bank. Die Frage war, wie viel Bargeld meine Mutter abheben konnte, ohne dass jemand Verdacht schöpfte. Sie konnten jeden Dollar brauchen, aber so viel auf einmal abzuheben konnte riskant sein. Andererseits kam man aus dem Ausland nicht mehr an das Konto ran. Wenn sie versuchen würde, aus Kanada Geld abzuheben, würde das sofort auffallen.
    Ich war nicht müde, ging aber früh nach oben. Mein Zimmer war fast leer geräumt. An den Wänden hing nur noch ein altes Star-Wars-Poster und eine Urkunde, die besagte, dass ich an der Little League teilgenommen hatte. Sogar die Kleider, die wir zurückließen – fast alle –, waren in Kisten verpackt und beim Second-Hand-Markt abgestellt worden. Meine Mutter sagte, sie wolle nicht, dass Fremde in unseren Sachen herumkramten, nachdem wir weg waren. Sie wollte
die Sachen lieber so weggeben, dass niemand wusste, woher sie stammten.
    Ich versuchte zu lesen, konnte mich aber nicht konzentrieren. Ich musste an Eleanor denken – an ihre dünnen braunen Beine, als sie sich auf mich hockte, an ihre knochigen Arme, die auf meine Brust drückten. Angestrengt versuchte ich andere Bilder in meinen Kopf zu kriegen: Olivia
    Newton-John oder das Mädchen aus Ein Duke kommt selten allein oder Jill aus Drei Engel für Charlie oder sogar die Schwester aus Happy Days. Das waren freundlichere Mädchen, aber ich sah trotzdem nur Eleanors Gesicht vor mir und hörte ihre Stimme.
    Wegen mir hast du eine Erektion gekriegt.
    Trottel. Blödmann. Vollniete.

    Irgendwann später hörte ich meine Mutter und Frank die Treppe heraufkommen. An den anderen Abenden hatten sie geflüstert oder leise gelacht. Sie bürstete sich die Haare, oder er bürstete sie ihr. Dann die Dusche. Wasserrauschen. Ich stellte mir vor, wie Hände über Haut strichen, und einmal hörte ich Klatschen und Gelächter.
    Lass das.
    Du weißt doch, dass du das gern hast.
    Stimmt.
    An diesem Abend hörte ich nur das Quietschen der Federn, als sie sich ins Bett legten, aber dann nichts mehr. Kein Kopfbrett rumste an die Wand. Kein Stöhnen, keine Vogelschreie.
    Ich lag da und wartete auf Liebeslaute, aber nichts tat sich.
Ich hielt die Luft an, hörte aber nur meinen eigenen Herzschlag. Ihre Stimmen fehlten mir.
    Adele. Adele. Adele.
    Frank. Frank.
    Adele.
    Ich hatte mein Fenster geöffnet, aber die Grillpartys an diesem Wochenende und die Feste in den Gärten der Nachbarn waren vorüber. Keine Spiele mehr; die Red Sox waren vermutlich rausgeflogen. Nirgendwo in der Straße brannte noch Licht. Nur das blaue Flimmern des elektrischen Insektenvernichters bei den Edwards und das leise Zischen, wenn eine Stechmücke an dem Gitter landete.

20
    Mittwoch. An diesem Morgen gab es keinen Kaffee. Meine Mutter hatte die Maschine schon eingepackt. Auch keine Spiegeleier. Wir frühstücken unterwegs, sagte sie. Irgendwo an der Autobahn.
    Es war wieder einer dieser Momente, wo ich kurze Zeit nicht wusste, was los war, als ich die Augen aufschlug. Als ich in meinem kahlen Zimmer aufwachte, brauchte ich sogar einen

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