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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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für uns anschaffen.
    Ich fragte mich, ob sich Richard nachts mit ähnlichen Aktivitäten abgab wie ich. Dabei kriegte der vermutlich nur einen Steifen, wenn er an José Conseco, den Baseball-Spieler, dachte. Ich konnte mir nicht gut vorstellen, wie wir darüber redeten. Wenn Marjorie die Bettwäsche wusch, würde sie danach zu meinem Vater sagen, Du solltest jetzt mal dieses Männergespräch mit deinem Sohn führen.
    Früher war ich ständig wütend gewesen auf meinen Vater, aber als ich an diesem Morgen im Regen vor dem Haus stand und seinen Schatten hinter den Vorhängen sah und die Hintertür klappen hörte, als er die Katze rausließ, und
Chloe krähte, weil sie aus dem Bett geholt werden wollte – ich sagte deswegen nie, dass sie meine Schwester oder Halbschwester war, weil ich wusste, wie meine Mutter sich dann fühlen würde –, war ich einfach nur traurig. Das hier war nicht mein Zuhause. Daran trug niemand Schuld. Es war einfach so.
    Ich steckte den Brief an meinen Vater in den Briefkasten. Ich wusste, dass er die Post aus dem Kasten nahm, wenn er von der Arbeit heimkam. Irgendwann nach dem Abendessen würde er sie lesen. Dann würde ich schon in Kanada sein.
    Auf dem Rückweg hielt ein Streifenwagen neben mir. Es war immer noch früh, und ich war nass, weil ich keine Regenjacke angezogen hatte. Es goss inzwischen in Strömen. Meine Hose war so durchweicht, dass die Beine am Boden schleiften, und mein Hemd klebte mir am Körper. Ich konnte kaum etwas erkennen, weil mir Wasser in die Augen lief.
    Brauchst du vielleicht Hilfe, Junge?, fragte der Polizist durchs Fenster.
    Nee, danke, alles okay.
    Vielleicht kannst du mir mal sagen, wo du hinwillst?, sagte er. Für jemanden deines Alters bist du ja ziemlich früh unterwegs, und das noch ohne Jacke. Ist heute nicht der erste Schultag für dich?
    Ich geh nur ein bisschen spazieren, antwortete ich. Bin grade auf dem Heimweg.
    Steig ein. Ich fahr dich nach Hause. Deine Eltern machen sich bestimmt schon Sorgen.

    Ich hab nur meine Mutter. Aber die macht sich schon keine Sorgen.
    Ich werd sicherheitshalber mal ein Wörtchen mit deiner Mom reden, erwiderte der Polizist. Hab selbst einen Jungen in deinem Alter.
    Wir fuhren am Pricemart und der Bibliothek vorbei und an meiner Schule, wo schon ein paar Autos auf dem Parkplatz standen. Die superfleißigen Lehrer, die ihre Klassenzimmer perfekt in Ordnung haben wollten. Aber ich würde nicht dort auftauchen.
    Nach der Bank bogen wir rechts ab, fuhren den Abhang hoch, bogen links in meine Straße ein. Vorbei an den Edwards und den Jervis’, bis zum Ende. Obwohl ich so wütend war auf meine Mutter, versuchte ich ihr durch Gedanken mitzuteilen, dass sie bitte nicht auf der Straße sein und Kartons in den Wagen packen sollte. Und vor allem sollte Frank nicht zu sehen sein. Ich schickte ihm eine telepathische Nachricht – wie der Silver Surfer –, dass er ins Haus gehen und sich verstecken sollte.
    Sie war draußen, in ihrer karierten Hose, aber wenigstens ohne Kartons. Als sie den Streifenwagen anhalten sah, legte sie eine Hand über die Augen – vielleicht aber auch nur, um sie vor dem Regen zu schützen.
    Mrs. Johnson, sagte der Polizist. Ich hab Ihren Jungen hier aufgelesen. Dachte, ich bring ihn nach Hause. Vor allem, da er in einer Dreiviertelstunde in der Schule sein muss. Und er ist pitschnass.
    Meine Mutter stand nur da. Ich hatte an der Kasse im Supermarkt gesehen, was mit ihren Händen passierte, wenn
sie aufgeregt war, und dachte mir, dass sie wahrscheinlich furchtbar zitterten. Sie hatte sie in die Hosentaschen gesteckt.
    In welcher Klasse bist du denn?, fragte mich der Polizist. Sechste? Dann kennst du vielleicht sogar meinen Jungen.
    Siebte, sagte ich.
    Verstehe. Das heißt, du interessierst dich sicher mehr für Mädchen als die albernen Sechstklässler, was, Henry?
    Danke, dass Sie ihn heimgebracht haben, sagte meine Mutter. Sie schaute zum Haus rüber, und ich wusste, was sie dachte.
    Gern geschehen, erwiderte der Polizist. Scheint ein guter Junge zu sein. Sehn Sie zu, dass er’s auch bleibt.
    Er streckte ihr die Hand hin. Ich wusste, warum sie die Hände nicht aus den Hosentaschen nahm, und gab ihm selbst die Hand, damit er nicht auf falsche Gedanken kam.

    Am Abend vorher hatten wir auf dem Weg zum Second-Hand-Markt – unserer dritten Fuhre dorthin – bei Evelyn und Barry Halt gemacht. Meine Mutter wollte Barry ein paar von meinen alten Spielsachen schenken. Einen Zauberwürfel und eine

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