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Der Duft des Sommers

Der Duft des Sommers

Titel: Der Duft des Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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Etch-a-Sketch-Zeichentafel, mit der er vermutlich wenig anfangen konnte, und einen Magic-Eight-Ball, an dessen Unterseite in einem kleinen Fenster Ratschläge fürs Leben auftauchten. Ich bezweifelte, dass Barry diese Sachen benutzen konnte, aber meine Mutter fand, er könne sie doch in sein Zimmer stellen, damit es ein bisschen nach einem normalen Jungenzimmer aussah. Ich
schenkte ihm auch noch meine Lavalampe, obwohl mir das schwerfiel. Meine Mutter hatte gemeint, das Ding könnte uns in Schwierigkeiten bringen, wenn wir über die Grenze fuhren. Weil man glauben könnte, wir hätten was mit Drogen zu tun.
    Evelyn trug einen Gymnastikanzug, als sie die Tür aufmachte. Sie hatte wahrscheinlich Fitnessübungen zu einem Richard-Simmons-Video gemacht. Immer wenn sie davon sprach, was sie so gemacht hatte, sagte sie wir, als hätte Barry daran teilgenommen. Aber er saß natürlich auch bei Evelyns Fitness-Training nur in seinem Rollstuhl, wedelte mit den Armen und gab Laute von sich. Johnny Cash war eindeutig sein Lieblingsmusiker, aber Richard Simmons mochte er auch.
    Als Barry uns sah, kreischte er aufgeregt. Sein Rollstuhl stand vor dem Fernseher, und auf dem Bildschirm waren grade ein paar Frauen mit Stirnbändern zu sehen, die Hampelmann machten. Barry wippte in seinem Stuhl auf und ab, aber als er mich sah, deutete er auf den Fernseher und dann auf mich und gurgelte aufgeregt. Diesmal verstand ich ihn sogar. Er sagte Frank. Er wollte wissen, wo Frank war.
    Zuhause, sagte ich zu Barry. Das war kein Problem. Seine Mutter würde das nicht verstehen. Und wenn jemand ganz bestimmt nicht zum Hörer greifen und sich zehntausend Dollar verdienen würde, dann war das Barry.
    Meine Mutter hatte Evelyn nicht gesagt, dass wir weggehen würden. Sie sagte nur, ich hätte mal mein Zimmer ausgemistet. Wegen Schulanfang und so.
    Ich wünschte, ich hätte mich von ihr verabschieden können,
sagte meine Mutter auf der Heimfahrt. Sie war vielleicht nicht die tollste Freundin, die man haben kann, aber sie war meine einzige. Ich werd sie wohl nie mehr wiedersehen.

    Aber wir sahen Evelyn wieder. Am nächsten Morgen, kurz nach halb acht, klopfte Evelyn an die Haustür.
    Diesmal war Frank im Wohnzimmer. Er drehte sich um, so dass sie ihn nur von hinten sah, und tat so, als repariere er eine Lampe, aber es war unübersehbar, dass wir auszogen. Es ließ sich auch nicht verleugnen, dass wir einen Mann im Haus hatten.
    Oje, sagte Evelyn. Ich komme wohl eher ungelegen. Ich wollte mich nur bedanken, weil du mir neulich mit Barry so geholfen hast, Adele. Du hast mir echt das Leben gerettet.
    Sie hatte Zimtbrötchen gebacken – ich war allerdings nicht sonderlich scharf darauf, weil es mit Evelyns Backkünsten nicht weit her war. Meine Mutter hatte mal gesagt, Evelyn sei der einzige Mensch, den sie kenne, der sogar Fertigbackwerk verhunzen könne. Aber Evelyn war eben auch der einzige Mensch, den meine Mutter überhaupt kannte.
    Ich störe euch vermutlich, sagte Evelyn. Ich wusste nicht, dass ihr Besuch habt.
    Barry gab hinter ihr so schrille Töne wie ein Urwaldvogel von sich und fuchtelte wild mit den Armen. Ich wusste jetzt aus Erfahrung, dass er versuchte, Franks Namen auszusprechen. Obwohl Frank uns nach wie vor den Rücken zukehrte.
    Tut mir leid, dass ich dich nicht reinbitten kann, sagte meine Mutter. Dieser Herr hier repariert nur was für uns. Henry und ich machen eine Reise.

    Evelyn spähte ins Wohnzimmer. Der Teppich war ebenso verschwunden wie unsere Bücher, der Druck von einer Mutter mit Kind auf dem Schoß, das Museums-Poster von einem Goldfisch im Glas und den Balletttänzerinnen bei der Probe. Und durch die offene Küchentür konnte man erkennen, dass auch das Geschirr nicht mehr da war.
    Ach so, sagte Evelyn. Sie fragte erst gar nicht, wo wir hinfuhren, weil sie wahrscheinlich schon ahnte, dass ihr niemand die Wahrheit sagen würde.
    Also, vielen Dank noch mal für die Brötchen, sagte meine Mutter. Die sehen klasse aus.
    Vielleicht sollte ich meinen Teller gleich wieder mitnehmen, erwiderte Evelyn. Für den Fall, dass ihr länger weg seid.
    Wir hatten keinen eigenen Teller mehr, weshalb meine Mutter die Brötchen auf die Morgenzeitung legte, deren Schlagzeile unübersehbar war. Aufgrund des geflohenen Häftlings kündigte der Gouverneur verstärkte Sicherheitsmaßnahmen im Gefängnis an. Damit auch jeder Bescheid wusste, der bislang noch nichts von der Geschichte wusste, hatten sie noch mal das Foto von Frank mit der Nummer

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