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Der Duft des Sussita

Der Duft des Sussita

Titel: Der Duft des Sussita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Scheer
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Süddeutschen, er war einer von ihnen, er stammte aus dem 16. Bezirk in Wien, seine proletarischen Wurzeln hinderten ihn nicht daran, den Akzent und die kunstvolle Sprache der Schönbrunner Aristokratie zu sprechen, wenn nicht sogar der Monarchie.
    Wenn er anfing zu sprechen, hörte jeder sofort, woher er stammte, er verheimlichte es auch nicht, obgleich er mit mir Hebräisch redete, er sprach seinen wienerischen Dialekt mit Stolz und sagte, er sei in der Tat Österreicher, Wiener, fügte der Österreicher immer hinzu, als er mich im Jahre 2004 besuchte, er sagte, er sei ein Österreicher aus Wien, aber diese Tatsache stand seiner Verachtung und seinem Hass gegenüber den Seinigen nicht im Wege. Im Gegenteil, er hasste und verachtete sie von ganzem Herzen.
    Viel Spaß hatten wir in diesen knapp zwei Wochen, in denen der Österreicher mich besuchte. Mein Freund, der Österreicher, und ich besuchten täglich zahlreiche Cafés und Restaurants, danach noch einige Partys und weitere Cafés und Restaurants und Kneipen. Er konnte viel trinken, der Österreicher, manchmal hatte er eine Wut, ich dachte, er wird explodieren, aber letztendlich ist alles gutgegangen, mit der Polizei hatte er nur wenig zu tun, einmal, weil er sie beschimpfte, er sagte, sie seien süddeutsche Schweine, so sagte er es ihnen auf den Kopf zu, die Polizisten sahen, dass er betrunken war, ein betrunkener Österreicher aus Wien, dachten die Polizisten, also reagierten sie kaum, sie sagten lediglich, er solle nicht in der Mitte der Straße spazieren, er solle das nicht tun, weil Straßen für Autos gemacht seien und nicht für Menschen, Menschen sollen dort nicht spazieren, Menschen sollen auf dem Gehweg laufen, sagten die Polizisten, worauf der Österreicher sagte, es gebe auf der Straße keinen Verkehr, es gebe kein Auto auf der Straße, wenn ein Auto auf der Straße fahren würde, würde er zur Seite gehen, aber es gebe keine Autos auf der Straße um drei Uhr morgens, sagte der Österreicher zu den Polizisten, deswegen gehe er mitten auf der Straße, er gehe, wo er wolle, wann er wolle, wie er wolle, sagte mein Freund, der Österreicher, zu den erstaunten Polizisten, er sagte, er hasse die Süddeutschen, und wollte nicht von der Straße weg, es gibt ja keine Autos um drei Uhr morgens, sagte er den Polizisten, und er ging weiter, ohne die Polizisten weiter zu beachten, er lief den Berg hoch, bis er mein Zimmer erreichte. Ich war schon zu Hause. Ich hatte die Party vor dem Österreicher verlassen, und so kam der Österreicher nach mir nach Hause, was eine Ausnahme war, üblicherweise gingen wir, der Österreicher und ich, zusammen nach Hause, egal ob von einer Party oder einer Kneipe, wir gingen immer zusammen nach Hause, um uns in meinem Kellerzimmer auszuruhen, um am nächsten Tag dasselbe zu tun, carpe diem sagten wir zueinander, der Österreicher hatte mir einiges zu sagen, und umgekehrt hatte auch ich ihm einiges zu sagen, wir ergänzten uns damals, der Österreicher und ich waren ein Team, damals im Jahre 2004, wir hatten Spaß und genossen das Leben. Jeden Tag von neuem. Nach knapp zwei Wochen flog der Österreicher nach Mauritius, was schon lange sein Traum gewesen war. Er dachte sogar daran, in Mauritius zu bleiben, aber es geschah, dass er in Israel blieb, im gleichen Kibbuz, in dem wir ihn jetzt besuchten, in dem er seine Söhne jederzeit sehen konnte. So ist der Österreicher halt, er nimmt seine Rolle als Vater ernst und arbeitet seit jener Zeit als Bauer im Kibbuz.
    Er ist auch ein Historiker, der Österreicher ist ein sogenannter Magister, er hat einen akademischen Titel. So haben wir uns kennengelernt, der Österreicher und ich haben uns an der Universität in Haifa kennengelernt, wo ich von 1999 bis 2003 studiert habe. Zwischen dem Melken der Kühe im Kibbuz und dem Familienleben, das er führte, kam der Österreicher ab und zu in die Universität in Haifa, um seinen Abschluss zu machen, seine Magisterarbeit fertig zu schreiben.
    Meistens aber trafen wir uns auch dort im Kaffeehaus, wo ich einen Stammtisch hatte. Er war einer der vielen Teilnehmer dieses Stammtisches. Ich und Yechezkel Deutsch, mein argentinischer Freund, ein scharfsinniger Poet und Philosoph, wir beide saßen fast immer an unserem Stammtisch, so auch Yaki, der sogenannte Dude , ein berühmter israelischer Schriftsteller und Exzentriker, Scharika, die aus Mexiko stammende Gender-Philosophin und jüdische Feministin, Alon, der Marxist und Soziologe, der glatzköpfige

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