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Der Duft des Sussita

Der Duft des Sussita

Titel: Der Duft des Sussita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Scheer
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und ich hatten Glück, dass unser Mietwagen eine Klimaanlage hatte, auch so war es ziemlich heiß, aber nicht unerträglich, nicht ganz unerträglich. Außerhalb des Autos war die Luft feucht, das Schwitzen geschah von selbst, als wäre es die größte Selbstverständlichkeit. Es war auch schwer zu atmen. Man schwitzte und hatte nicht genügend Luft. Das Herz und die Lungen waren überfordert und drohten zu versagen. Ich fühlte mich schwach und hatte Durst. Hilfesuchend blickte ich nach oben. Ich wandte meine Augen zum Himmel und wurde im selben Augenblick geblendet. Schmelzen meine Augen? Bin ich blind? Ich war fassungslos, und mir wurde schwindlig. Bin ich gefallen? Ich verlor mein Gleichgewicht. Wie ein Betrunkener trottete ich hinter Dagmar und dem Österreicher her.
    Die Sonne stand hoch und glühte stolz, würgte uns, die sengenden Sonnenstrahlen hießen uns offiziell im Kibbuz willkommen.
    Der Österreicher führte uns in sein Haus. Seine neue Frau und die Zwillinge waren abwesend.
    Es war ein großes und neues Haus, modern eingerichtet. Luxus war offensichtlich kein Fremdwort in diesem Kibbuz.
    Er fragte uns, ob die Temperatur im Zimmer für uns in Ordnung sei, er sagte, er lasse die Klimaanlage die ganze Zeit laufen, es sei ja immer, fast immer, verbesserte sich der Österreicher, es sei in dieser Region eben sehr heiß.
    Er könne aber die Klimaanlage abschalten, wenn wir es wollten. Dagmar sagte, es sei völlig in Ordnung, die Klimaanlage mache gute, kalte Luft. Es sei auch für mich angenehm, sagte ich. Der Österreicher, der sich immer wieder als ein perfekter Gastgeber erwies, gab uns etwas Kaltes zu trinken.
    Ob Orangensaft in Ordnung sei?
    Ja, antworteten wir.
    Er habe nämlich auch andere Getränke, so der Österreicher.
    Orangensaft sei völlig in Ordnung, sagte Dagmar. Danke.
    Als wir mit unserem Orangensaft am Küchentisch saßen, zeigte uns der Österreicher den Berg Megiddo, der vom Küchenfenster aus exzellent zu sehen war.
    In der Tat.
    Wenn das Ende der Welt kommen wird, werde ich der Erste sein, der es erfährt, scherzte der Österreicher und nahm einen großen Schluck von seinem Orangensaft.
    Im Jahre 2004, als ich in Tübingen Philosophie studierte, besuchte mich mein Freund, der Österreicher. Zusammen wohnten wir fast zwei Wochen in dem kleinen Kellerzimmer in der Ob-dem-Viehweidle-Straße, wo ich damals hauste. Der Österreicher schlief auf einer Matratze auf dem Boden.
    Wahrscheinlich war das Jahr 2004 das schwerste Jahr für den Österreicher. Nicht nur dass er einige Tage vor seinem Besuch bei mir in Frankreich alle seine Zähne verloren hatte, wenn er seinen Mund öffnete, war kein einziger Zahn zu sehen, aber das war nicht das Schlimmste, das war nichts im Vergleich zu dem, was ihn tatsächlich berührte. Seine Frau hatte ihn wegen eines jüngeren Mannes verlassen, von einem Tag auf den anderen einfach so verlassen, und so blieb er, mein Freund, der Österreicher, zahnlos, mit einer ungewissen Zukunft und Sorgen um seine drei Söhne allein.
    Als Dagmar und ich ihn jetzt im Kibbuz besuchten, hatte er, der Österreicher, eine neue Frau und kleine Zwillinge. Seine neue Frau hatte auch noch ein Kind aus erster Ehe, also hatte der Österreicher nun insgesamt sechs Kinder, drei aus der ersten Ehe, die Zwillinge und das Kind seiner neuen Frau.
    Im Jahre 2004 war das ganz anders. Der Österreicher wusste nicht, was er mit seinem Leben tun sollte. Die Welt lag offen vor ihm, doch er liebte seine drei Söhne über alles und wollte nicht fern von ihnen sein. Österreich dagegen hasste er über alles. Österreich sei ein schönes Land, sagte mir der Österreicher in Tübingen, ein sehr schönes Land sei sein Land Österreich, es sei aber schade, dass solche Menschen in so einem schönen Land lebten, die Österreicher seien ja unerträgliche Menschen, genauso schlimm wie alle Süddeutschen.
    Mein Freund, der Österreicher, verachtete nicht nur die Österreicher, die er als Heuchler bezeichnete, sondern auch alle sogenannten Süddeutschen. Die Süddeutschen, sagte mir der Österreicher im Jahre 2004, sind widerwärtige Menschen, die Österreicher, die Deutschen im Süden und die Schweizer sind alle gleich, alle nenne ich Süddeutsche , sagte der Österreicher, ich kann diese Menschen nicht ausstehen, es sind abstoßende Menschen, die Süddeutschen sind einfach böse.
    Der Hass des Österreichers war verständlich, es ging ihm damals nicht gut, und er kannte die von ihm so genannten

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