Der Duft des Sussita
der Österreicher, unser Kibbuz ist ein reicher Kibbuz, aber es gibt viele andere, denen es weniger gut geht. Viele Kibbuze haben große finanzielle Probleme, in Israel ist diese Situation bekannt.
Es gibt viele Kibbuze, die sich privatisieren lassen, sagte der Österreicher, ja, sagte er, es könne etwas merkwürdig klingen, ein Kibbuz, der sich privatisiert, aber es sei etwas überhaupt nicht Merkwürdiges, sondern Realität. Dgania Alef zum Beispiel, der erste Kibbuz überhaupt, ist ein privatisierter Kibbuz, was ja unglaublich klingt. Dgania Alef ist ein privatisierter Kibbuz, ein sozusagen kapitalistischer Kibbuz, ein unerhörter Widerspruch zur Idee eines Kibbuz überhaupt. Ein kapitalistischer Kibbuz!
Es klingt verrückt, sagte der Österreicher, aber Dgania Alef ist kein Kibbuz mehr, sondern ein kapitalistisches Etwas, das sich trotzdem noch als Kibbuz bezeichnet. Es ist vollkommen irre, sagte der Österreicher, lass dir das mal auf der Zunge zergehen, ein privatisierter Kibbuz! Unglaublich! Stellt euch vor, sagte der Österreicher, der erste Kibbuz wird privatisiert. Vor einigen Jahren hätte man so etwas für unmöglich gehalten, für eine abseitige Idee, eine schräge Phantasie. Aber heutzutage ist es wahr geworden. Ich scherze nicht, fügte der Österreicher nach einer kleinen Pause hinzu.
Es wurde langsam dunkel, man konnte ein wenig durchatmen. Der kulinarische Genuss ging seinem Ende zu.
Unser Kibbuz-Besuch endete offiziell mit dem letzten Schluck Limonade. Wir dankten dem Österreicher herzlich für seine Gastfreundschaft und sagten auf Wiedersehen , bis nächstes Mal, Lehitraot.
BREAKFAST CLUB
Die allgemeine Verbrüderung ist nicht einmal ein schöner Traum. Der Feind ist nötig für die höchsten Anstrengungen der Persönlichkeit. – Theodor Herzl, »Der Judenstaat«
Seit man das Wort aufgeschrieben und bewahrt, es Geschichte genannt hat, sind wundersame Ereignisse auf Papier festgehalten worden, biblische und alltägliche Geschichten, wirkliche und fiktive, so zum Beispiel die Schöpfungsgeschichte und die Erzählung vom Paradies.
Seit dem Anfang aller Anfänge haben sich die Schriften, die Geschichten vermehrt, während das Paradies endgültig verlassen wurde, und was für die Generationen danach blieb, ist ein bitterer Nachgeschmack und die hoffnungslose Sehnsucht zurückzukehren nach Hause, in die Realität.
Seit der Zeit, da unsere Vorfahren aus dem Paradies vertrieben wurden, vor knapp sechstausend Jahren nach der Schrift, leben wir nur noch in einer Art virtueller Realität. Vertrieben aus unserer Heimat, dem Paradies.
Die Protagonisten der menschlichen Geschichte nach dem Sündenfall, mit Namen Abraham, Isaak und Jakob, auch Väter genannt, spielten und spielen für einige Menschen auch heute noch eine große Rolle.
Die Geschichte von Moses und seiner vierzigjährigen Odyssee in der Wüste, mit seinem Volk, den Israeliten, wird immer wieder von neuem erzählt. Ebenso die Geschichten von König David und seinem Sohn Salomon. Die Geschichte vom Tempel und seiner Zerstörung. Und erneut von seinem Aufbau und seiner Zerstörung. Zwei Tempel wurden gebaut und zerstört. Frohe und traurige Geschichten. Geschichten der Geschichte. Unvergessliche Geschichten.
Heutzutage träumen manche von einem dritten Tempel und dem Messias. Und all dies im einundzwanzigsten Jahrhundert. Auch eine Geschichte.
Es gibt unendlich viele Geschichten. Die Zeiten des jüdischen Exils und des Holocaust. Alte und neue Geschichten. Die Geschichte des Staates Israel ist eine relativ neue. Nach zweitausend Jahren haben die Juden wieder eine Hymne und eine Fahne. Ein wirklich gewordener Traum. Was jetzt?
Kriegs- und Heldengeschichten. 1948 und 1967 und 1973. Libanon und die Intifada. Und noch viele andere Kriege, Geschichten eben, Verteidigung und Friedensträume. Nicht weniger als früher ist heutzutage eines gefragt: die Hoffnung. Kann man daraus ein Prinzip machen? Oder sind all dies nur Geschichten?
Die biblische Geschichte von Sodom war eine bekannte Geschichte. Ist eine bekannte Geschichte. Gestern spielte sie in London und New York. Sodom. Heute spielt sie in Tel Aviv. Ja, Tel Aviv, die Party-Town.
Für Menschen, die das Feiern verehren, es mit geradezu religiöser Inbrunst betreiben, ist ja diese Stadt, Tel Aviv, die vierundzwanzig Stunden am Tag lebt, das Höchste.
Hier wird Religion, in den unendlich vielen Clubs und Bars, als Spaß gefeiert und gelebt. Tag und Nacht. Eine Geschichte der massiven
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