Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
Vom Netzwerk:
Kind ihrer Eltern gewesen. Vielleicht erklärte dies die Nachsicht mit der Tochter, die sich so ganz anders entwickelte als die Mädchen aus der Nachbarschaft. Schon als Kleinkind war sie ungebärdiger als die Töchter von Frau Röslins Freundinnen. Gab man jenen einen Klaps, ließen sie sofort davon ab, Sessel zu erklimmen oder ihre Puppen auf den Boden zu werfen, statt sie zu wiegen. Nicht so Emma: Wenn man sie bestrafte, dann schämte sie sich nicht, sondern brüllte, aber weniger aus Schmerz denn aus Ärger, weil man sie in einer spannenden Tätigkeit unterbrach. Frau Röslin schüttelte oft bekümmert den Kopf über ihr Töchterlein, und ihr Mann äußerte den Verdacht, es liege an der allzu sanften Erziehung seiner jungen Frau, dass ihr Kind so wild war. Doch Frau Röslin brachte es nicht übers Herz, Emma ernstlich zu züchtigen. Dieses engelhafte Kind mit den dicken blonden Zöpfen und den rosigen Wangen sollte sie schlagen? Unmöglich.
    So wuchs Emma mit halbherzigen Klapsen und den ewig gleichen Vorhaltungen heran, denen sie schon bald keine Beachtung mehr schenkte. Zwar grämte sie sich ab und zu, dass sie den Eltern Kummer bereitete, doch Neugierde und Abenteuerlust waren stets stärker. Im Alter von acht Jahren dämmerte ihr langsam selbst, was der Grund für ihr Verhalten war: Es war ihr einfach zu langweilig, immer brav zu sein! Es gab so viel zu entdecken, so viel auszuprobieren! Wenn man sich verhielt, wie die Erwachsenen es von einem verlangten, verpasste man einfach zu viel – das sah Emma an ihrer gleichaltrigen Freundin Sophie.
    Sophie war alles, was Emma nicht war: artig, immer sauber und der ganze Stolz ihrer Eltern, obwohl diese noch vier weitere kleine Mädchen hatten. Emma bewunderte Sophie aus ganzem Herzen, doch sie bemitleidete die Freundin auch. Denn Sophie wagte es niemals, des Vaters Bierseidel mit Wasser zu füllen und damit die Puppenküche zu putzen, was natürlich verboten war und dem Teppich unter der Puppenküche nicht guttat, aber unendlich viel Spaß machte. Sophie machte auch niemals Unfug im Gemüsegarten. Hinter vorgehaltener Hand lachte sie zwar, als Emma Tulpen herausriss und die Blumenköpfe eingrub, so dass die Zwiebeln hoch in der Luft schwebten. Aber mitgemacht hätte Sophie bei so etwas niemals!
    Sophies Artigkeit hatte indes auch einen großen Vorteil, nämlich den, dass sie höchst selten bestraft wurde. Zu dieser Erkenntnis kam Emma regelmäßig dann, wenn sie in ihrem Zimmer eingesperrt wurde und ohne Nachtmahl zu Bett gehen musste. Mit knurrendem Magen nahm sie sich vor, von nun an braver zu sein; und stets erinnerte sie sich an alles, was die Welt um sie herum noch für sie bereithielt, sobald sie am nächsten Morgen frisch und ausgeschlafen vor ihrem Frühstück saß.
    Trotz der Strafen und der ständigen Ermahnungen war Emma ein glückliches Kind. Manchmal – wenn die Augen der Mutter vor Lachen blitzten, wenn sie Emma bei einem Streich ertappte, oder wenn der Vater ihr aus seinen Büchern vorlas, was Sophies Vater niemals für seine Tochter tat – hatte sie sogar das Gefühl, dass die Eltern ganz zufrieden mit ihr waren. Ja, sie war ein Wildfang.
    Aber sie wurde geliebt.
    Nach einem gewöhnungsbedürftigen Frühstück aus schwarzem Tee, Hammelfleisch und damper – Brot, das aus Weizen in der Asche gebacken wurde – machte Emma sich auf die Suche nach den Forschern. Sie traf sie vor dem Gasthaus an.
    »Hoho, immer noch so elegant, heute geht’s doch los!«, begrüßte Pagel sie lautstark.
    Emma blickte an sich herab. Viel Auswahl bot ihr die Seekiste, die als Ersatz für einen Kleiderschrank herhalten musste, nicht: Insgesamt fünf Kleider hatte sie dabei, dazu Wäsche, ihr Korsett und ihre Krinoline. Heute trug sie ein mattgelbes Kleid, das noch am ehesten zu der hiesigen Mode passte. Es war recht hübsch, aber elegant?
    »Fräulein Röslin kann sich kaum in einen australischen Männeranzug werfen, Georg«, schmunzelte Krüger.
    »Selbst dann wäre meine Verlobte noch eine Schönheit«, ließ Crusius sich charmant vernehmen. Er trat zu ihr und fragte: »Hast du gut geschlafen, meine Liebe? Und hoffentlich von mir geträumt?«
    Emma fand, dass er seine Rolle als ihr Verlobter etwas zu ernst nahm. Offensichtlich gehörte dazu auch, dass sie sich nun duzten. Oder wollte er sie necken? Nun, das konnte sie auch!
    »Ich schlafe immer gut, wenn du in meiner Nähe bist, mein lieber Oskar«, sagte sie süß. »Aber von wem ich träume, musst du schon mir selbst

Weitere Kostenlose Bücher