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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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der sie stumm beschwor, auf seine Finte einzugehen. Blitzartig wurde ihr klar, dass es ihre einzige Chance war, bleiben zu dürfen.
    »Ja«, sagte sie leise. »Es stimmt.«
    Einige Atemzüge lang sagte keiner etwas, und Emma musste sich zusammenreißen, um vor lauter Anspannung nicht die Fassung zu verlieren. Wie würde der Leiter sich entscheiden? Würde er ihre Zukunft mit einem Kopfschütteln besiegeln, sie in die völlige Ungewissheit stoßen? Sie hörte ihr eigenes Blut in den Ohren rauschen, dazu das Kreischen der großen, bunten Vögel über ihnen – laut, viel zu laut, als machten die Tiere sich über Emma lustig.
    Crusius kam mit raschen Schritten zu ihr, legte ihr den Arm um die Schultern und schaute Scheerer herausfordernd an. Unwillkürlich versteifte sie sich, doch sie ließ die Berührung zu. Wenn sie beide vorgeben wollten, verlobt zu sein, würde Emma mit solchen Beweisen in Zukunft wohl leben müssen.
    Pagel kratzte sich am Nacken und brach die Stille: »Hol’s der Teufel, da haben Sie beide uns aber schön an der Nase herumgeführt!«
    Auch Krüger war bass erstaunt. »Wir dachten ehrlich, Ihr Verhältnis sei ein rein geschäftliches. Ihre Begrüßung war doch sehr … distanziert.«
    »Wir wollten nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, nicht wahr, meine Liebe?« Crusius lächelte auf Emma herunter. »Welch süßes Band uns bindet, sollte eine kleine Überraschung für die Gruppe sein.«
    »Ist Ihnen gelungen, Crusius«, dröhnte Pagel. »Alter Geheimniskrämer!«
    Crusius grinste, dann richtete er seinen Blick wieder auf Scheerer. Dieser war dem Wortwechsel regungslos gefolgt. Eine kurze Zeit lang schien er noch mit sich zu ringen, doch dann sagte er: »In Ordnung, Crusius. Als Fräulein Röslins Verlobter tragen natürlich Sie die Verantwortung. Sie darf mit.«
    Vor Erleichterung wurde Emma schwindelig, nun war sie froh, dass Crusius sie hielt. Sie schloss kurz die Augen, zwang sich jedoch sofort dazu, sie wieder zu öffnen. Nur keine Schwäche zeigen! Nicht vor Scheerer, der genau darauf wartete.
    Der Leiter nickte Emma knapp zu. »Willkommen im Team. Aber sagen Sie niemals, ich hätte Sie nicht gewarnt.«
    Emma nickte. Als er sich umdrehte und mit schweren Schritten davonstapfte, stieß sie zitternd die Luft aus.
    »War das wirklich nötig?«, flüsterte sie Crusius zu, dessen Arm immer noch auf ihrer Schulter lag.
    »Aber ja«, flüsterte er zurück. »Scheerer ist ein harter Brocken, den hätten wir anders nicht rumgekriegt. Von ein bisschen Schauspielerei werden Sie sich doch nicht Ihr neues Leben verderben lassen, hm?«
    »Nein«, sagte Emma zögernd. »Ich denke nicht.«
    »Braves Mädchen.« Crusius ließ sie los und wandte sich an Pagel und Krüger. Laut sagte er: »Ich zeige meiner Verlobten nun ihr Zimmer. Sie beide haben nach der Schlepperei sicher auch eine Pause nötig. Bis später, meine Herren.«
    Er hievte die Seekiste hoch und verschwand damit im Gasthaus, und Emma folgte ihm mit gemischten Gefühlen. Sie hörte Pagel und Krüger hinter sich kichern, doch sie drehte sich nicht um.
    Anzügliche Blicke konnte sie nicht auch noch gebrauchen.

5
    L udwigs Hände auf ihren Armen, ihrem Rücken, sein Mund auf ihrem Hals. Sie trägt ein wunderschönes, jadegrünes Kleid, der Ausschnitt ist ein bisschen zu tief. Das Klavier spielt im Hintergrund wie von Geisterhand ein Liebeslied, doch es mischen sich falsche Töne hinein. »Dissonanzen«, flüstert Ludwig seiner Schülerin zu. Emma wird unruhig, Angst steigt in ihr auf, sie will sich von Ludwig losmachen, doch als sie ihre Hände gegen seine Brust stemmt, sind sie voller Blut. Rote Abdrücke auf Ludwigs Hemd, auf ihrem jadegrünen Kleid, Blut überall, klebrige Nässe, sie beginnt zu schreien …
    … und erwachte, in kaltem Schweiß gebadet, in ihrem kargen Gasthauszimmer. Vor Entsetzen wie gelähmt lag Emma in ihrem harten Bett, nur die Hände krallten sich in die raue Wolldecke. Erst als langsam ihr Verstand wieder einsetzte, dieses gnädige Bewusstsein des Tages, das die Erinnerung so standhaft verbannte, spürte sie, wie das Leben in ihre Glieder zurückkehrte.
    Sie wandte den Kopf und starrte aus dem Fenster in die graue Dämmerung. Der Schlaf drohte sie bereits wieder zu umfangen, doch sie hielt die Augen krampfhaft geöffnet. Wenn sie wach war, lebte sie in der Gegenwart; Schlaf und Träume hingegen gehörten ihrer Vergangenheit.
    Verzweifelt fragte sie sich, ob das jemals wieder anders sein würde.
    Emma war das einzige

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