Der Duft von Hibiskus
überlassen.«
»Hört, hört!«, lachte Krüger, und Pagel stieß einen Pfiff durch die Zähne aus. Oskar, denn so würde sie ihn wohl in Zukunft nennen müssen, lachte halbherzig mit, doch seine Ohren verfärbten sich rosa. Emma verkniff sich ein Grinsen. Nett, wenn zur Abwechslung mal der Herr schamhaft errötete.
In diesem Moment trat Carl Scheerer zu ihnen. »So heiterer Stimmung? Das lässt auf einen guten Expeditionsbeginn hoffen.« Wohlwollend nickte er nacheinander Krüger, Pagel und Oskar zu, dann blieb sein Blick an Emma hängen und wurde merklich kühler.
Der Leiter musterte sie von oben bis unten und sagte: »Guten Morgen, Fräulein Röslin. Wir brechen noch diese Stunde auf. Ich schlage also vor, Sie ziehen sich um. Eleganz ist im Busch nicht nötig.«
Schon wieder dieser Vorwurf! Dabei war sie sich keinerlei Schuld bewusst. Was sollte sie denn anziehen, wenn nicht eines ihrer Kleider? Rasch unterzog sie die Herren einer Musterung.
Sie waren alle ähnlich gekleidet: ein leichtes wollenes Hemd, darüber ein buntes aus Leinen, das am Hals offen war. Die Ärmel bis zum Ellenbogen hochgestreift. Die Hosen aus fester weißer Baumwolle, dazu weiße Strümpfe und derbe Schuhe sowie breit geränderte Filzhüte, in Pagels Fall mit dem unvermeidlichen Schleier.
So kann ich jedenfalls nicht herumlaufen, Busch hin oder her, dachte Emma ratlos. Sogar die Herren sehen in diesem Aufzug zum Lachen aus.
»Normales australisches Kostüm, perfekt für den Busch«, sagte Pagel, der ihre Musterung bemerkt hatte.
»Mag sein. Aber leider besitze ich kein solches Kostüm«, antwortete Emma. »Und als Frau kann ich ja auch schlecht Hosen tragen.«
»Es reicht schon, meine Liebe«, sagte Oskar, »wenn du nicht etwas anderes an -, sondern nur ein bisschen was aus ziehst.« Emma warf ihm einen erschrockenen Blick zu, und er erklärte sehr freundlich: »Damit meinte ich natürlich nur deine Krinoline.«
Pagel feixte, Krüger lachte leise.
Das ist also die Revanche für meine freche Bemerkung vorhin , dachte Emma halb amüsiert, halb beunruhigt. Ich sehe schon, Oskar, du bleibst mir nichts schuldig.
»Schluss mit den Albernheiten, meine Herren, ich bitte Sie!«, mischte Scheerer sich ungeduldig ein. »Kommen Sie mit, Fräulein Röslin, ich zeige Ihnen Ihr Pferd. Dann entscheiden Sie selbst, in welcher Aufmachung Sie heute aufbrechen wollen.«
Überrascht folgte sie Scheerer, der bereits die grüne Straße hinunterging. Ihr Pferd? Reisten sie denn nicht mit der Kutsche oder zumindest auf einem der Ochsenkarren, die hier überall über die Wege rumpelten?
»Ich werde reiten?«, fragte sie vorsichtig.
»Natürlich.« Scheerer warf ihr einen flüchtigen Blick zu. »Was dachten Sie denn?«
»Oh, ich dachte … ähm …« Sie verstummte. Sie würde nicht den Fehler machen, ihm noch vor dem Aufbruch in den Busch den ersten Angriffspunkt zu bieten. Sorgfältig wog sie ihre Worte ab. »Ich bin nur erstaunt, dass Sie sich um mein Pferd kümmern. Ich bin davon ausgegangen, das gehöre zu … Oskars Pflichten.«
»Ich bin der Leiter, ich sorge für die Ausrüstung«, sagte Scheerer knapp. »Crusius beteiligt sich lediglich an den Kosten.«
Er hatte es nicht verächtlich gesagt, doch Emma spürte deutlich seinen Widerwillen gegen die zahlenden Mitreisenden, die man ihm aufgedrängt hatte.
Ihr Mut sank. Das waren ja schöne Aussichten: wochenlang im Busch, allein mit Männern, die sie jeder auf seine Weise herausforderten. Mit Ausnahme vielleicht von Krüger – aber auch er, das hatte sein Feixen ihr gezeigt, wusste sehr wohl, auf welche Seite er gehörte. Und es war nicht die weibliche.
»Wir sind da«, unterbrach Scheerer Emmas Gedanken.
Sie hatten eine Holzhütte erreicht, vor der mehrere Rösser in der Sonne standen. Scheerer band einen furchterregend großen Rappen los und hielt Emma die Zügel hin.
»Hier ist Ihr Pferd. Jung und stark genug, um Sie durch halb Australien zu tragen.«
Sie schluckte und legte den Kopf in den Nacken, um das nervös tänzelnde Riesentier genauer betrachten zu können. Jung und stark sah es aus, das schon, aber auch sehr … groß. Feurig. Oh Himmel, es sah unbezähmbar aus!
»Sie sagen ja gar nichts.« Scheerer runzelte die Stirn. »Gefällt er Ihnen nicht?«
»Doch. Es ist nur … ich kann nicht …«
»Nun erzählen Sie mir bloß nicht, Sie könnten nicht reiten!«
»Ich kann reiten«, beeilte Emma sich zu sagen. »Das heißt, ich habe es ein paar Mal versucht, in den Wäldern um
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