Der Duft von Hibiskus
lehren muss.«
Herr Röslin ließ das Buch sinken und sah Emma finster an. »Und nun antworte mir, Kind: Wie passen dein Wunsch und diese Pflichten zusammen?«
Emma fühlte sich überrumpelt. Auf die Schnelle kam ihr keine andere Antwort in den Sinn als die, die ihr Vater hören wollte: Gar nicht.
Denk nach, Emma, feuerte sie sich an. Überleg dir was, überzeuge ihn! Denn wenn er deinen Wunsch abschmettert, ist das Thema ein für alle Mal erledigt.
»Ich höre«, sagte der Vater streng.
Da fiel ihr die Lösung ein. »Rousseau hat natürlich Recht«, sagte sie. »Gerade deshalb möchte ich bei dir in die Lehre gehen, Vater. Sieh mal, auch wenn ich meinen zukünftigen Gatten noch nicht kenne, bin ich doch schon jetzt entschlossen, ihm eine gute Frau zu werden. Und das schließt ein, dass er sich nicht mit mir langweilt! Soll ich ihn anöden durch geistige Kurzsichtigkeit, ihn abstoßen durch Engherzigkeit? Nein! Ich will ihm zur Seite stehen bei all seinen Nöten und Problemen, und das kann ich nur, wenn ich zu denken gelernt habe.«
Ihr Vater schwieg skeptisch.
Gut, dann musste sie eben noch weiter gehen. Zähneknirschend sagte sie: »Ich tue das alles doch nur für meinen zukünftigen Mann. Du hast immer gesagt, ich solle einmal einen Apotheker heiraten, damit deine Apotheke in der Familie bleibt, Vater. Glaubst du nicht, ich könnte deinem Schwiegersohn eine gute Hilfe sein, wenn ich ein bisschen was von Heilpflanzen verstehe? Ihn beim Botanisieren unterstütze? Oder ihm Zeichenarbeit abnehme, wenn er abends müde ist und in Ruhe am Kamin sitzen möchte?« Uff, jetzt hatte sie dick aufgetragen.
Zu dick?
Herr Röslin schaute Emma lange an. Dann sagte er bedächtig: »Wenn das so ist …«
Emma verknotete ihre Hände ineinander. Gib dir einen Ruck, beschwor sie ihren Vater stumm. Sag ja!
»Aber nur unter der Bedingung, dass du dein Klavierspiel und deine Handarbeiten nicht vernachlässigst«, sagte Herr Röslin und drohte Emma vorsorglich mit dem Finger.
Sie fiel ihm um den Hals. »Danke«, flüsterte sie in sein Ohr, und er drückte sie an sich. Kurz durchzuckte Emma das schlechte Gewissen, weil sie ihn mit einem Argument umgestimmt hatte, das bei ihrer Entscheidung in Wirklichkeit überhaupt keine Rolle gespielt hatte. Doch dann sagte sie sich, dass sie ja vielleicht wirklich einen Apotheker heiraten würde; dann würde alles genau so werden, wie sie es sich und ihrem Vater gerade ausgemalt hatte.
Aber daran wollte sie jetzt noch nicht denken. Nein, bis es soweit war, würde sie einfach nur glücklich sein – glücklich sein, lernen und arbeiten.
Nachdenklich hatte Emma ihr Zeichenmaterial zusammengeräumt und ins Zelt gebracht. Nun stand sie in einiger Entfernung zum Lager am creek, im Schutz eines struppigen Gebüschs, das bis zum Wasser reichte. Die Luft war immer noch warm, so dass sie nicht fror, obwohl sie nackt war. Sie hatte ihre schmutzige Kleidung über einen Ast gehängt und das frische Kleid so zurechtgelegt, dass sie im Notfall blitzschnell hineinschlüpfen konnte. Noch ein Vorteil, wenn man kein Korsett trug, in das man sich erst mühsam schnüren musste.
Das Wasser war jetzt, in der Nacht, schwarz und ein wenig unheimlich, und sie watete nur zwei Schritte hinein. Ob auch Krokodile Nachtruhe kannten? Sie hoffte es. Was sich unter der Wasseroberfläche wohl sonst noch alles verbarg? Ob es hier Wasserschlangen gab? Sie hatte von fabeltierähnlichen Wesen gehört, die halb Ente, halb Biber waren – ob sie wohl sehr groß waren?
Ob sie Menschen angriffen?
Schluss jetzt, befahl sie sich streng und begann, sich kräftig mit der Kernseife einzureiben. Die Sterne glitzerten im Wasser und am Himmel, und während Emma ihre Haut bearbeitete, bis sie sich rötete, schaute sie hinauf in die Nacht. Überrascht hielt sie inne. Die Sichel des Mondes sah aus, als sei sie auf den Rücken gefallen!
Alles, dachte sie und betrachtete staunend die silberweiß glänzende Barke, die am Himmel schwamm, wirklich alles ist in Australien anders als zu Hause.
Obwohl der Gedanke sie eigentlich hätte traurig stimmen müssen, lächelte sie.
8
G uten Morgen, es ist Zeit! Aufstehen, aufstehen, der Tag bricht an!«
Carl Scheerers Weckrufe mischten sich mit dem keckernden Lachen eines Vogels. Emma blinzelte verschlafen und gähnte.
Wieder keckerte der Vogel, diesmal unmittelbar über ihrem Zelt. Das musste des »Ansiedlers Uhr« sein.
»Diesem Hans wird sein Lachen bald vergehen, wenn er mir nicht wenigstens
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