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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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liebt? Dass er eine andere liebt? Eine dritte …
    Emma riss die Augen auf. Wie hatte sie das nur vergessen können? Die dritte Frau! Das war es gewesen, worauf sie ihn hatte ansprechen wollen! Aber hatte sie es wirklich getan? Und wenn ja, was hatte er geantwortet?
    Nein, nein! Die andere Ahnung . Auf die andere Ahnung kommt es an. Sie ist es, die zum Tod geführt hat.
    Sie spürte ihre Handflächen feucht werden. Welche andere Ahnung? Wessen Tod? Worum war es in jener letzten Klavierstunde gegangen?
    Irgendetwas in ihr schlug die Tür wieder zu, so vernehmlich, dass sie fast meinte, den Knall zu hören.
    Für heute, so schien es, war es vorbei.
    Mit weit geöffneten Augen starrte sie aus dem Fenster, hinüber in den Regenwald, als könnte er ihr die Antwort auf ihre Fragen geben.
    Aber hatte sie nicht eine erste Antwort bekommen?
    Sie griff nach dem Bleistift und fing an zu schreiben: Es hatte zwei Ahnungen gegeben, und auf die zweite kam es an, denn sie hatte zum Tod geführt. Also war in jener Stunde wirklich ein Mensch gestorben. Was bisher ein Verdacht gewesen war, verdichtete sich zur Gewissheit: Es gab einen Toten.
    Sie ließ den Bleistift fallen, als die innere Tür sich noch einmal für einen kurzen Augenblick öffnete.
    Nicht ein Mensch ist gestorben, sondern zwei, Emma. Zwei Menschen sind gestorben …
    »Geht es dir gut? Du bist ja blass wie eine Leiche.«
    Carl hielt in seiner Arbeit am Zaun inne und musterte Emma besorgt. Seit ihre Verlobung mit Oskar offiziell beendet war, duzte Carl sie nun auch, wenn die anderen Forscher dabei waren.
    Normalerweise kniff Oskar grimmig die Augen zusammen, wenn er es hörte, doch heute nicht.
    »Ist etwas passiert?«, fragte er alarmiert. »Wieder so ein elender Wilder?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, alles in Ordnung. Ich wollte nur fragen, ob ich helfen kann. Ich habe ja noch nichts zu zeichnen, und da war mir langweilig.«
    Das war eine grobe Lüge. Aber sollte sie den Männern etwa gestehen, dass sie sich fühlte, als habe sie einen Geist gesehen? Die Erkenntnis, dass es in jenen vergangenen Tagen sogar zwei Tote gegeben hatte, erfüllte sie mit Entsetzen. Zwei Menschen aus ihrer Vergangenheit lebten nicht mehr, und sie hatte keine Ahnung, wer diese Menschen waren. Emma wurde schwindelig.
    Sofort war Carl an ihrer Seite.
    »Setz dich hierhin«, sagte er und half ihr, sich gegen einen Baum zu lehnen.
    Wie bei unserem ersten Aufbruch aus Brisbane, fuhr es ihr durch den Kopf. Mit dem Unterschied, dass ich mich diesmal am liebsten in Carls Arme werfen würde. Sie zwinkerte eine Träne weg.
    »Hilfe ist die so ja keine«, ließ Pagel sich ungnädig vernehmen.
    »Es geht schon wieder«, sagte Emma leise zu Carl. »Arbeitet doch bitte weiter, ich wollte euch nicht stören.«
    »Möchtest du zum Bach? Frisches Wasser tut immer gut, wenn eine Ohnmacht droht.«
    Sie lächelte schwach. »Die ehrgeizige junge Forscherin macht schon schlapp, hm?«
    »Ich kann mir keine Frau vorstellen, die bei Expeditionsstrapazen so selten schlapp macht wie du«, sagte Carl bestimmt. »Also sei nicht so streng mit dir. Komm, ich bringe dich zum Bach.«
    »Lass nur«, wehrte sie ab. »Ich möchte mir nicht noch größeren Unmut einhandeln.«
    Sie deutete auf Pagel, der mit verschränkten Armen an einem Baum lehnte. Auch Oskars Blick war nun, da Carl sich um Emma kümmerte, nicht mehr alarmiert, sondern nur noch gereizt. Einzig Krüger arbeitete weiter, als ginge ihn das alles nichts an.
    Sie erhob sich und merkte, dass das Schwächegefühl schon wieder verschwunden war. Befriedigt registrierte sie, dass sie wohl doch stärker war, als sie gedacht hatte. Gut so, denn Stärke würde sie brauchen, wenn sie sich ihrer Vergangenheit weiterhin stellen wollte. Unwillkürlich biss sie die Zähne zusammen.
    Als sie am Bächlein saß und müßig das Wasser über ihre Finger rieseln ließ, sah sie Oskar auf sich zuschlendern. Er blieb vor ihr stehen und sah auf sie herab.
    »Tut mir leid, dass du dich schon langweilst«, sagte er leutselig. »Sollte ich dir etwa zu wenig Arbeit gegeben haben?«
    Sie hob die Augenbrauen. Sein hinterlistiger Tonfall gefiel ihr nicht.
    »Aber mach dir keine Sorgen, das können wir schnell ändern«, sagte Oskar. Er bückte sich und rupfte eine Handvoll Gräser aus. »Hier, zeichne das. Ist zwar nichts Besonderes, aber als Übung recht brauchbar, was meinst du?«
    Ungläubig fragte sie: »Soll das ein Scherz sein?«
    »Keineswegs.«
    »Diese Grasart habe ich schon

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