Der Duft von Hibiskus
unzählige Male gezeichnet! Die Bilder sind sogar schon auf dem Weg nach Hamburg!«
»Du hörst mir offenbar nicht zu: Du sollst sie zur Übung zeichnen. Und jetzt husch, husch an die Arbeit.« Er lächelte, als er hinzufügte: »Befehlsverweigerung kann ich nämlich gar nicht leiden, mein Kind.«
Pfeifend spazierte er zurück zu den anderen Forschern. Emma stand langsam auf und ging hinüber zum Haupthaus, das Grasbüschel in der Hand. Wenn sie wollte, dass Oskar sie weiterhin bezahlte, würde ihr nichts anderes übrig bleiben, als seiner sinnlosen Anordnung Folge zu leisten.
Oskar schien entschlossen, Emma mit so viel Arbeit einzudecken, dass sie für weitere Schwächeanfälle gar keine Zeit mehr haben würde. Tagelang brachte er ihr uninteressante Pflanzen, mäkelte an ihren Zeichnungen herum und forderte sie auf, ihren Bleistift besser zu spitzen. Feierabend? Gab es nicht mehr.
Bald atmete Emma flacher, wenn sie Oskar nur kommen hörte. Er spürte ihre Anspannung und klopfte ihr väterlich auf die Schulter. »Kopf hoch, Emma. Übung macht den Meister. Wenn es heute nicht gut klappt, zeichnest du all diese Pflanzen morgen eben noch einmal.«
Eines Abends war Emma es so leid, von Oskar getriezt zu werden, dass sie sofort nach dem Essen in ihre Hütte flüchtete. Sie legte sich auf ihren stretcher – ein Feldbett, das der frühere Bewohner der Hütte zurückgelassen hatte – und rollte sich unter der Decke zusammen. Gerade als sie sich sagte, dass Oskars Laune sich gewiss bald bessern und alles gut werden würde, knickten die unteren Füße des stretcher ein, und Emma fiel vor Schreck aus dem Bett.
Ärgerlich rappelte sie sich auf und betrachtete das Feldbett, das nun eine schiefe Ebene bildete. Sie klappte die Bettfüße wieder aus und setzte sich probeweise auf die Matratze. Prompt krachte der stretcher wieder zusammen.
Leise fluchend machte Emma sich daran, auch die Füße am Kopfende einzuschlagen, so dass sie wenigstens flach liegen würde, wenn auch fast auf dem Boden. Kein Wunder, dass man dieses Bett nicht mitgenommen hatte. Ein funktionstüchtiger stretcher mochte eine praktische Erfindung sein, konnte man ihn dank der einklappbaren Füße doch überallhin mitnehmen. Ein ausgeleierter stretcher hingegen, dachte sie missmutig, war eine Folter für die Nerven, zumal nach Tagen wie diesen.
Der nächste Vormittag sollte nicht besser werden. Da die unmittelbare Umgebung des Lagers offensichtlich ausgereizt war, was unbekannte Pflanzen betraf, beschlossen die Forscher, endlich ihre erste Tour in den Regenwald zu unternehmen.
Als Emma aufgeregt fragen wollte, ob sie mitkommen könnte, sagte Oskar zu ihr: »Und du bleibst hier und zeichnest, alles wie gehabt. Heute Abend bringe ich dir dann die Ausbeute unserer Tour, du wirst also nicht mehr in die Verlegenheit kommen, dich zu langweilen.«
Carl warf ihr einen fragenden Blick zu, doch sie zuckte nur mit den Schultern. Was sollte sie machen? Oskar war nicht mehr ihr Verlobter, musste sich seine Anzüglichkeiten also verkneifen. Ihr Arbeitgeber aber war er immer noch, und so hatte sie zu tun, was er ihr auftrug. Dass sie Anweisungen hinterfragte, stand eindeutig nicht auf Oskars Wunschliste.
Wenig später saß sie in ihrem Zeichenzimmer am Tisch vor dem Fenster und schaute den Forschern sehnsüchtig nach, wie sie mit Botanisierkapseln und Gewehren in Richtung Regenwald zogen. Ob sie auf Eingeborene treffen würden? Und ob es Carl überhaupt möglich sein würde, sich ihnen freundlich zu nähern, wenn Krüger, Pagel und Oskar dabei waren?
Während sie zeichnete, dachte sie an ihren Plan, in ihrer Freizeit die Heilkunde der Schwarzen zu erforschen. Sie hatte sich alles so schön vorgestellt: Wenn sie ihre Aufgaben für Oskar erledigt hätte, würde sie mit Carl zusammen in den Regenwald gehen. Sie würden die von den Schwarzen angewandten Methoden und Pflanzen kennen lernen und dokumentieren – und Emma würde sich dabei nach und nach von Carl abschauen, wie man wissenschaftlich arbeitete.
Aber nun, da Oskar entschlossen war, ihr keine freie Minute mehr zu gönnen, erschien ihr diese Vorstellung mit einem Mal kindisch. Sie war zum Zeichnen hier, und nur zum Zeichnen, das war ihr Platz. Die Forschung war nicht ihre Aufgabe; schon die bloße Absicht, es als Frau den studierten Männern gleichzutun, war bei Licht betrachtet vermessen.
Aber woher kam dann dieser Drang, über das Zeichnen hinauszugehen? Immer tiefer in die Welt der Heilkunst einzudringen?
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