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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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und nippte an dem heißen, schwarzen Gebräu. Über den Rand der Tasse hinweg sah sie ihn an. Jetzt oder nie!
    »Ich habe mir etwas überlegt«, sagte sie vorsichtig. »In diesem Regenwald, den du erforschen möchtest, gibt es doch bestimmt Eingeborene, oder?«
    »Davon gehe ich aus.«
    »Und sie kennen ihren Lebensraum sicher besser, als wir ihn je kennen lernen könnten, richtig?«
    Er nickte schweigend.
    »Meinst du nicht, wir könnten von ihnen lernen? Ihre Bekanntschaft machen, ihr Vertrauen erwerben und dann von ihrem Wissen über die hiesigen Heilpflanzen profitieren?«
    »Das klingt, als könnten wir die Eingeborenen einfach zum Dinner einladen.« Carl runzelte die Stirn. »Wie stellst du dir das vor, Emma? Wir wissen ja noch nicht einmal, ob sie Englisch sprechen.«
    »Das lässt sich doch leicht herausfinden! Wir müssen nur versuchen, mit ihnen in Kontakt zu treten.«
    »Dafür müssen wir sie erst einmal finden«, sagte Carl trocken.
    »Das stimmt. Aber wenn wir sie gefunden haben …« Emma geriet ins Schwärmen. »Ach, Carl, es wäre doch wunderbar, wenn ich einen Teil meiner Zeit damit verbringen würde zu zeichnen, in meiner Freizeit aber mit dir die Medizin der Eingeborenen erforschen könnte! Ich stelle mir das so spannend vor!«
    »Eine seltsame Freizeitbeschäftigung für eine junge Dame.«
    »Vielleicht, aber dies ist ja auch ein seltsamer Ort für eine junge Dame!« Sie wollte noch mehr zu ihrer Verteidigung vorbringen, doch am Lachen in seinen Augen erkannte sie, dass er sie nur neckte. »Du machst dich über mich lustig! Aber ich finde die Idee wirklich gut. Sieh doch, wir könnten so viel von den Schwarzen lernen. All das, was mir daheim mein Vater beigebracht hat, all die Merkmale und Heileigenschaften der Pflanzen lernen die Kinder hier gewiss auch von ihren Eltern!«
    »Dein Vater hat dir all das beigebracht? Auch das Zeichnen?«
    Ihr wurde bewusst, dass sie zum ersten Mal ihre Familie vor Carl erwähnt hatte. Unwillkürlich senkte sie die Augen.
    »Ja. Alles, was ich kann und weiß, habe ich von ihm. Von ihm habe ich auch gelernt, wie wichtig es ist, einen guten Lehrmeister zu haben.« Sie hob den Blick. »Meinst du nicht, die Schwarzen könnten unsere Lehrmeister sein?«
    »Crusius würde lachen, wenn er dich so reden hören würde.«
    Fest sagte sie: »Aber du bist ja gottlob anders.«
    »Und deshalb soll ich mich dem abergläubischen Halbwissen der Eingeborenen unterwerfen?« Carl seufzte. »Ich bin Wissenschaftler, Emma. Was ich der Kolonialregierung schicke, wird gründlich auf seine Heilwirkung hin getestet. Von Ärzten! Ich kann nicht einfach schreiben, ein Kraut habe sich bei den Urvölkern bewährt, und deshalb werde es sich wohl auch bei uns Weißen bewähren. Das geht nicht, verstehst du?«
    »Nein, das verstehe ich nicht.« Emma stellte heftig ihre Tasse auf den Tisch und beugte sich vor. »Niemand verbietet es der Kolonialregierung, die Pflanzen zu testen. Aber wenn du den Wissenschaftlern den Tipp gibst, dass ein bestimmtes Kraut wahrscheinlich gegen Durchfall wirkt und eben nicht gegen Husten, dann testen sie eher in der richtigen Richtung, meinst du nicht?«
    »Ich verspiele meinen guten Ruf, Emma.«
    »Du wirst dir einen exzellenten Ruf erwerben, wenn deine Voraussagen über die Wirkung der Pflanzen zutreffen!«
    Kopfschüttelnd sah Carl sie an. »Vertrittst du deine Forderungen immer so vehement?«
    »Nein«, sagte sie schnippisch. »Nur wenn ich von ihnen überzeugt bin und mir an ihrer Durchsetzung gelegen ist.«
    »Und warum ist es dir so wichtig, etwas über die Heilkunde der Schwarzen zu lernen?«
    »Interesse? Neugierde? Forschergeist?« Ungeduldig zuckte sie mit den Schultern. »Das solltest du doch als Erster verstehen!«
    Einige Sekunden lang musterten sie sich schweigend.
    Dann hob Carl seufzend beide Hände. »Gut, Fräulein Röslin, Sie haben gewonnen. Von nun an bin ich in Forschungsfragen Ihr ergebener Diener.«
    »Du machst dich schon wieder über mich lustig! Aber mein Ansinnen ist durchaus ernst gemeint.«
    »Deshalb verspreche ich dir auch, mit den Eingeborenen in Kontakt zu treten, falls ich welche sehen sollte. Wenn sie dann Englisch sprechen und ich den Eindruck habe, dass sie wirklich etwas von Heilkunde verstehen, dann können wir versuchen, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Nachmittags, nach deiner Zeichenarbeit.«
    Sie atmete auf. »Danke, Carl.«
    »Wahrscheinlich behältst du recht, und ich bin es, der sich irgendwann bei dir bedanken wird«, sagte

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