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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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Sie war so neugierig darauf, ob es Parallelen zu dem gab, was sie von ihrem Vater gelernt hatte! Ob die Eingeborenen mit ihren Mitteln Erfolge hatten oder ob sich alles als Humbug entpuppen würde. Unwillkürlich dachte sie, dass sie vielleicht nicht ganz normal war. Ein solcher Wissensdurst kam bei Frauen einfach nicht vor! Nur in der Männerwelt, und selbst dort nicht oft.
    Emma stützte das Kinn in die Hand. Vielleicht verdarb es sie ja, dass sie nur noch mit Männern zusammen war. Sie sollte in weiblicher Gesellschaft sein, eine Frau wie Mrs. Dunnings an ihrer Seite haben. Oder wie Sophie? Emma schüttelte den Kopf. Sophie mit ihrem Gerede von Bällen, Hochzeiten und Stofffarben erschien ihr so unendlich weit weg, als habe sie nie wirklich existiert.
    Der Gedanke machte Emma Angst. Unruhig stand sie auf und ging im Zeichenzimmer auf und ab. Hatte sie sich so verändert, dass sie, sollte sie je zurückkehren, mit ihrem alten Leben gar nichts mehr würde anfangen können? Durfte sie den Forscherdrang zulassen, den sie in sich spürte, seit sie den Regenwald zum ersten Mal gesehen hatte? Oder sollte sie solche Anwandlungen bekämpfen, ehe sie all ihre Weiblichkeit verlor?
    Sie verließ das Zeichenzimmer und ging zum Herd, um sich aus dem Teetopf eine Tasse einzuschenken. Der herbe Duft des Getränks erinnerte sie an ihr Gespräch mit Carl vor einigen Tagen. Ihr fiel auf, dass er sie überhaupt nicht für verrückt gehalten hatte. Hatte er nicht sogar …
    Sie ließ die Teetasse sinken.
    »Ehrgeizige junge Forscherin«, so hatte er sie genannt. Er hatte es im Spaß gesagt, aber nicht mit Verachtung. Eher so, als würde er von etwas sprechen, das zwar noch in der Zukunft lag – aber durchaus im Bereich des Möglichen. Traute er es ihr wirklich zu?
    Forscherin. Das Wort klang zu schön, um wahr zu sein. Es ist ja auch nicht wahr, ermahnte sie sich sogleich. Sie war keine Forscherin, sie war Zeichnerin, und schon das war für eine Frau wie sie eigentlich unerhört. Und doch …
    Warum sollten eigentlich immer nur Männer hochfliegende Träume haben? Warum durfte man Gedanken nicht aussprechen und Vorhaben nicht in die Tat umsetzen, nur weil sie neu und ungewohnt waren?
    Carl und ich passen hervorragend zusammen, dachte Emma mit nervösem Spott. Wir sind beide komische Vögel!

22
    I m R egenwald, M ärz 1859
    D ie Tage vergingen, Emma zeichnete, und die Männer forschten – nach wie vor ohne sie. Emma hatte immer noch keinen Fuß in den Regenwald gesetzt, was sie sehr frustrierte.
    Sie saß am Zeichentisch und ärgerte sich. Langsam hing es ihr zum Hals heraus, langweilige Gräser zu malen, wenn sie mit den neuen und interessanten Pflanzen fertig war. Wenn Oskar sich doch nur auf das beschränken würde, was er wirklich an Godeffroy zu schicken gedachte! Wenn er ihr nur nicht immer »Fleißarbeit«, wie er es nannte, bringen würde! Dann würden die Nachmittage ab und zu ihr gehören, denn sie arbeitete mittlerweile präzise und trotzdem blitzschnell. Aber mit der Fleißarbeit – unmöglich.
    Sie stand auf und holte sich ihr Mittagessen. Ein Stück kaltes Fleisch vom Abend zuvor bildete den Hauptgang, damper vom Frühstück die Beilage. Lustlos kaute Emma auf den harten Brocken herum. Was wohl die Eingeborenen aßen? Sicher nicht ein solches Einerlei wie die weißen Forscher.
    Nach dem Essen beschloss sie in einer Anwandlung von Rebellion, die Fleißarbeit heute unter den Tisch fallen zu lassen. Stattdessen trieb sie sich ein bisschen bei den Tieren herum, streichelte Princess und beobachtete Orlando. Dem stolzen Hengst hätte niemand angesehen, wie verängstigt er in jener Nacht im creek gewesen war. Er hatte sich wieder vollkommen erholt und war ungestüm wie eh und je. Der Gedanke, dass dies auch ein wenig ihr Verdienst war, hob Emmas Laune.
    Sie schlenderte zum Bach, während ihr Blick immer wieder zum Regenwald glitt. Dort waren die Forscher unterwegs, seit Stunden schon. Dort würde sie auch gerne sein. Stattdessen vertrödelte sie hier ihre Zeit. Wo doch nichts leichter war, als sich den Hut aufzusetzen, ein Messer einzupacken – sicher war sicher – und ein, zwei Schritte in den Regenwald hinein zu wagen …
    Wie von selbst zogen ihre Füße sie in ihre Hütte.
    Als sie den Platz wenig später verließ und allein auf das saftige Grün zuschritt, dachte sie, dass sie keine Chance gehabt hatte zu widerstehen. Der Regenwald hatte sie magisch angezogen – oder hatte ihre Forscherlust sie getrieben? So oder so,

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