Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
würde ich mich nicht entmutigen lassen, diesmal würde ich herausfinden, wo Etienne steckte, schwor ich mir.
» Bitte«, sagte Aszulay, » Sie sind Gast, also bitte fangen Sie an.«
Es gab weder Besteck noch Teller.
» Darf ich essen, Onkel Aszulay?«, fragte Badou. » Ich bin sehr hungrig.«
Aszulay sah mich wieder an und nickte dann Badou aufmunternd zu. Der Junge nahm mit den Fingern seiner rechten Hand von dem Couscous, knetete den Bissen zu einer kleinen Kugel und schob sie sich in den Mund. Aszulay riss ein Fladenbrot in zwei Hälften, von denen er eine zusammenfaltete und sie dazu benutzte, Couscous in den Mund zu löffeln.
Er musste wohl bemerkt haben, dass ich noch nie auf marokkanische Art gegessen hatte, und er führte es mir vor. Ich war ihm dankbar, dass er mir aus der misslichen Lage half, nahm ein Stück Brot und tat es ihm gleich. Meinen Befürchtungen, keinen Bissen herunterzubekommen, zum Trotz, schmeckte mir das Couscous ausgezeichnet. Im Übrigen fiel mir ein, dass ich an diesem Tag noch gar nichts und tags zuvor nur wenig zu mir genommen hatte. Mit einem Mal war ich sehr hungrig und langte abermals zu. Ich sah, wie Aszulay ein Hühnchenbein nahm, und griff meinerseits nach einem Flügel. Doch ich grub die Finger zu tief in die heiße Masse und verbrannte mich. Es war mir peinlich, als ich das Stück erschrocken losließ, fischte es dann aber vorsichtig mit den Fingerspitzen heraus und legte es auf den Rand der tajine.
» Die Marokkaner brauchen keine Gabel«, erklärte Aszulay. Ich sah ihn dankbar an, weil er so verständnisvoll war, und bemerkte gleichzeitig, wie Manon mich mit unverhohlener Feindseligkeit anstarrte. Es missfiel ihr, dass er mir Aufmerksamkeit widmete. Sie war eifersüchtig.
» Manon«, sagte Aszulay und drehte sich zu ihr. » Komm und iss. Du magst doch les courgettes.«
Manon warf einen Blick auf die länglichen Zucchinistreifen und schüttelte dann matt den Kopf. » Ich kann nicht«, sagte sie leise und schloss wieder die Augen. » Es geht mir nicht gut. Heute ist kein guter Tag für mich.« Sie seufzte theatralisch.
» Versprichst du mir, später etwas zu essen?«
Durchschaute er sie denn nicht?, fragte ich mich.
» Ja, Aszulay«, sagte sie gehorsam, mit einem Mal wie verwandelt gegenüber der unberechenbaren Frau, die ich erlebt hatte.
Ich nahm den abgekühlten Hühnchenflügel und biss hinein. Die Haut war knusprig und schmeckte nach Kurkuma. Als wir fertig waren, tauchten wir die Hände in das kühle Zitronenwasser in den bereitstehenden Schälchen. Badou stand auf, kletterte auf den Rand des Springbrunnens und balancierte wieder mit ausgebreiteten Armen darauf.
Nachdem Aszulay einen Blick auf mein Glas geworfen hatte, das noch immer voll war, schenkte er sich selbst noch etwas Tee ein. Ich überzeugte mich davon, dass mein Tee nicht mehr heiß war, und nahm einen Schluck.
» Und?«, sagte Manon und sah mich an. » Was halten Sie von meinem Tuareg?«
Ich fuhr mit der Fingerkuppe über den Rand meines Glases. Aszulay sagte nichts.
» Kennen Sie die Tuareg? Die von Gott Verstoßenen, wie die Araber sie nennen, weil niemand ihnen seinen Willen aufzwängen kann. Die einzigen Gesetze, denen sie gehorchen, sind die der Wüste. Aszulay gehorcht sonst niemandem, stimmt’s?«, sagte sie, an ihn gewandt.
Wieder sagte Aszulay nichts, und auch sein Gesicht verriet nicht, was er dachte.
» Sein Name kommt aus dem Amazigh, einer der Berbersprachen, und bedeutet Mann mit blauen Augen. Sie sind sehr ungewöhnlich, nicht wahr?«, fuhr sie fort.
Was sollte ich darauf antworten? Bis auf das Summen der Fliegen und Falidas leises Atmen, die auf der Schwelle des Hauseingangs kauerte und zu uns herübersah, herrschte eine Zeit lang Stille.
» Und im Gegensatz zu den meisten Männern dieses Landes und anderer Länder auch verehren sie ihre Frauen«, sagte sie. » Stimmt doch, Aszulay? Die Frauen der Tuareg genießen Respekt und leben in Freiheit. Sie bewegen sich ungezwungen und unverschleiert, und die Männer sind stolz auf sie. Sie verstecken ihre Schönheit nicht. Warum erzählst du unserem Gast nicht von euren Frauen, Aszulay?«
Warum bedrängte sie ihn nur so?, fragte ich mich. Doch er schien sie gar nicht zu beachten.
» Manon hat mir noch nicht verraten, was Sie nach Marrakesch geführt hat«, sagte er. » Woher kennen Sie Manon, Mademoiselle?«
Ich befeuchtete die Lippen, dann warf ich Manon einen verstohlenen Blick zu und stellte mein Glas ab. » Ich bin
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