Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
meine Hand los, stellte Badou auf den Boden und lud sich die Säcke und Kiste wieder auf die Schultern.
Das Dorf, das sich scheinbar planlos einen steilen Hang hinaufzog, war eine der für die Gegend typischen terrassenartigen Siedlungen von pisé- Häuschen mit Flachdächern. Weil Berg und Bauten aus der gleichen rötlich braunen Erde bestanden, sah es aus, als wären die Gebäude aus dem Hang herausgehauen worden.
Am Fuß des Bergs erblickte ich Zelte aus gewebten Wollmatten, die im Kreis angeordnet waren. Beim Abstieg hatte ich sie gar nicht bemerkt – genau wie die Lehmhäuschen waren sie von der Erde kaum zu unterscheiden. Kamele ruhten auf der staubigen Erde und sahen stoisch und unnahbar geradeaus. Esel schrien, und Hähne krähten.
Mehrere Fußwege wanden sich das terrassenförmige Dorf empor. Ein paar Kinder, die gerade den Berg herunterkamen, grüßten Aszulay schon von weitem. Ich beobachtete Badou, während sie sich näherten, und wie zuvor bei unserer Rast an dem Bach drückte er sich an mich. Während wir hinaufgingen, kamen die Bewohner der Häuser heraus und riefen Aszulay etwas zu. Immer wieder stellte er seine Last auf den Boden, um sie zu begrüßen; die Männer umarmten und küssten sich dreimal auf die Wangen. Alle sahen mich neugierig an, und ich fühlte mich unwohl in meiner Haut. Die Frauen trugen lange, einfache Kleider, die am Rocksaum, den Ärmeln und am Halsausschnitt bestickt waren, sodass sie ein wenig wie farbenfrohe Vögel anmuteten. Einige der Kleider wurden an den Schultern mit Messing- oder Silberspangen zusammengehalten, die, wie ich von meinen Streifzügen durch die Souks wusste, fibulae – Fibeln – hießen. Die Frauen waren unverschleiert und hatten lediglich Schals um den Kopf geschlungen, die zwar schwarz, aber mit üppigen Blumenmustern bestickt waren. An Hals und und Handgelenken trugen sie kunstvollen Silber- und Bernsteinschmuck. Sie waren barfuß und ihre Füße und Hände mit Henna verziert.
Es fiel mir schwer, sie nicht anzustarren, denn ich konnte mich nicht an ihnen sattsehen. Manche hatten sich das Gesicht mit Safran bemalt, andere blaue Tätowierungen auf Kinn oder Stirn. Ich dachte an Mena und ihre Tätowierungen – offensichtlich stammte sie ebenfalls aus dieser Gegend. Einige der Stirntätowierungen bestanden aus Linien, die sich oben kreuzten. Bei anderen zog sich eine Linie von der Unterlippe bis zum unteren Rand des Kinns, von der feinere Linien wie Äste eines Stamms abzweigten. Die meisten Tätowierungen wiesen ein geometrisches Muster auf. Ich nahm an, dass sie nicht nur ästhetischen Zwecken dienten, sondern auch eine Stammeszugehörigkeit bezeichneten.
Wir setzten unseren Weg auf den gewundenen Pfaden hangaufwärts fort. Schließlich blieb Aszulay vor einem Häuschen stehen, stellte Kiste und Säcke auf den Boden und rief laut nach drinnen. Kurz darauf traten eine ältere Frau und zwei jüngere Frauen aus dem Haus. Die jüngeren trugen Kleider und Schmuck im Stil der anderen Frauen des Dorfes, hatten aber keine Gesichtstätowierungen. Die ältere Frau war in ein einfaches dunkelblaues Gewand und ein Kopftuch gehüllt. Aszulay umarmte sie.
Er deutete auf mich und sagte etwas zu ihr, aber er sprach nicht Arabisch, und ich verstand kein Wort. Dann sah er mich an und sagte auf Französisch: » Meine Mutter.«
Ich nickte, unsicher, ob ich lächeln sollte. Seine Mutter betrachtete mich neugierig und sagte etwas in fragendem Tonfall zu Aszulay.
Er gab ihr eine kurze Antwort und wies dann auf Badou, worauf seine Mutter mit zufriedenem Ausdruck eine Erwiderung murmelte, und ich hatte den Eindruck, als sagte sie sinngemäß: Ja, ich verstehe.
Ich langte in meine Tasche und brachte eine kleine Teekanne aus Porzellan zum Vorschein. Inzwischen kannte ich die Landessitten so gut, um zu wissen, dass man ein Gastgeschenk mitbrachte, wenn man irgendwo zu Besuch war. Ich reichte die Teekanne Aszulays Mutter. Sie nahm sie, drehte sie in der Hand und nickte feierlich.
» Und hier sind meine Schwestern«, sagte Aszulay und deutete zu den jüngeren Frauen, die ungefähr Mitte beziehungsweise Ende zwanzig sein mochten. » Rabia und Zohra.«
Ich war darauf gefasst gewesen, dass er mir eine von ihnen als seine Frau vorstellen würde.
Seine Schwestern sahen mich an, und ich sagte: » Ismi Sidonie«, um dann ehrfürchtig hinzuzufügen: » Assalam aleikum.« Ich wusste nicht, ob sie den arabischen Gruß verstanden, doch beide antworteten mit gedämpfter Stimme: » Wa
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