Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
aleikum assalam« – und auch mit dir sei Friede.
Ich reichte jeder eine kleine bemalte Keramikschüssel.
Badou, der neben mir stand, beachteten sie nicht.
Sie ähnelten einander stark: dünne, sonnengebräunte Gesichter mit hohen Wangenknochen, dunkle, leuchtende Augen mit dezenter Kohlumrandung und gesunde weiße Zähne. Zohra, die jüngere Schwester, hatte ein Grübchen in der linken Wange, das ihr einen gewissen Reiz verlieh, wenn sie lächelte. Rabia hielt in den Falten ihres Kleides ein Baby, das mit seinen kohlumrandeten Augen hervorspähte und Badou ansah. Es hatte die gleichen blauen Augen wie Aszulay.
» Ein Baby, Badou«, sagte ich, als könnte er nicht selbst erkennen, was es war. Doch in meiner Nervosität und Anspannung war ich froh, einen Gesprächsgegenstand gefunden zu haben. » Was meinst du: Ist es ein Junge oder ein Mädchen?«
Er zuckte die Schultern. Ich hatte das Gefühl, dass es ihm ähnlich erging wie mir, auch wenn er nicht zum ersten Mal hier war. Aszulays Mutter tätschelte ihm die Schulter und sagte etwas, worauf er zaghaft lächelte.
»Das ist mein Neffe Izri«, erklärte Aszulay. »Er ist acht Monate alt und Rabias viertes Kind. Zohra hat zwei Töchter.« Er löste die Schnur eines der Säcke und brachte mehrere Stoffbahnen sowie zwei silberne Halsketten mit Bernstein zum Vorschein, Geschenke für seine Schwestern. Aus dem anderen Sack zog er einen großen Kochtopf aus Messing hervor, den er seiner Mutter reichte. Alle bedankten sich bei Aszulay und bewunderten dann nickend ihre Geschenke, während sie sich murmelnd darüber austauschten.
Schließlich wandte sich Aszulays Mutter an mich und ergriff das Wort. » Meine Mutter heißt dich willkommen«, erklärte Aszulay. » Das Dorf bereitet gerade ein besonderes Essen zu Ehren der anderen Gäste vor, die in den Zelten unten untergebracht sind. Sie stammen aus einem weit entfernten Dorf und sind hergekommen, um Familienangehörige zu besuchen. Wir haben also einen guten Zeitpunkt erwischt.«
» Shukran«, sagte ich zu Aszulays Mutter – danke. Auch wenn ich nicht wusste, ob sie Arabisch verstand, konnte ich nicht einfach stumm bleiben. Insgeheim fragte ich mich, wann ich Aszulays Frau kennenlernen würde. Diese Frauen – seine Mutter und Schwestern – schienen meinen unerwarteten Besuch seltsam unaufgeregt und gefasst aufzunehmen.
» In diesem Dorf spricht man Tamazight, die Sprache der Amazigh, der Berber. Mit meiner Mutter unterhalte ich mich in unserer alten Sprache, dem Tamashek, der Sprache der Tuareg aus der Sahara. Die Leute im Dorf verstehen nur wenig Arabisch, nur einfache Sätze. Sie leben ziemlich isoliert hier, kaum ein Fremder verirrt sich in diese Gegend.«
Während ich so neben Aszulay stand und meine gewebte Tasche fest umklammerte, wurde mir bewusst, dass ich nicht nur eine Fremde, sondern auch eine Ausländerin war.
» Das hört sich kompliziert an, aber keine Sorge. Zohra hat von mir ein bisschen Französisch gelernt. Sie ist sozusagen die Gelehrte der Familie.« Er lächelte der jüngeren Frau zu und übersetzte offensichtlich, was er gerade gesagt hatte, denn sie errötete und knuffte ihn zum Spaß in den Arm. Ich hatte das Gefühl, dass die Menschen in diesem Dorf viel ungezwungener miteinander umgingen, als ich es bei den Bewohnern der marokkanischen Städte beobachtet hatte.
Aszulays Mutter tätschelte mir die Hand wie zuvor Badou die Schulter, und ich lächelte.
Als wir durch das Dorf gingen, schloss sich uns eine kleine Kinderschar an. Die winzigen Häuser mit ihren kleinen Anbauten – Ställen, Schuppen und Außenklos – sahen alle gleich aus. Die Jungen liefen neben uns her, während sich die Mädchen eher schüchtern im Hintergrund hielten. Sie warfen mir verstohlene Blicke zu, doch wenn ich sie erwiderte, wandten sie sofort die Augen ab. Irgendwann wurde es ihnen langweilig, und sie hüpften davon, um ausgelassen Fangen zu spielen. Hunde sprangen an ihnen hoch und bellten. Das Meckern einer Herde schwarzer Ziegen in einem Dornengehege begleitete uns. An dem kleinen Bach, den die Wasserfälle speisten, wuschen Frauen ihre Wäsche und schlugen sie gegen die Felsen, andere füllten ihre Wasserschläuche mit Wasser.
» Bist du hier aufgewachsen?«, fragte ich Aszulay, als wir stehen blieben, um einer weiteren Schar Kinder beim Spielen zuzusehen.
» Nein. Wir haben nicht immer in einem Dorf gewohnt. Wir lebten auf der anderen Seite des Hohen Atlas, jenseits des Tizi-n-Tichka-Passes im
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