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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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Südwesten der Sahara, dem Gebiet, das an Mauretanien grenzt, du weißt ja, dass man unseren Stamm Blaue Männer nennt. Die Frauen wohnten in Zelten, während die Männer Handel in der Sahara betrieben.«
    » Und warum lebt deine Familie jetzt hier?«
    » Als ich zwölf war, starb mein Vater. Für eine Nomadenfrau ist es nahezu unmöglich, sich ohne einen Mann über Wasser zu halten. Als Witwe ist sie von der Güte und Hilfsbereitschaft anderer Nomaden abhängig, was sie in harten Zeiten besonders zu spüren bekommt. Und wie überall in Marokko bringt man einer alleinstehenden Frau wenig Respekt entgegen.«
    Ich wusste, dass er damit nicht auf mich anspielte, und doch fragte ich mich, was die Menschen wohl über mich dachten.
    » Also zog meine Mutter mit mir und meinen jüngeren Schwestern – sie waren damals noch so klein, dass sie die Sprache der Tuareg vergaßen – hierher. Aber es war nicht einfach. Mit meinen zwölf Jahren war ich der einzige Mann der Familie, also noch viel zu jung, um eine so große Verantwortung zu übernehmen.« Er machte eine Pause, als ließe er alte Zeiten Revue passieren. » Es hat eine Weile gedauert, bis man uns akzeptiert hat.«
    Er blickte sich um. »Trotz allem waren wir hier besser aufgehoben als in der Sahara. Und als ich später dann wegging, wusste ich wenigstens immer, wo meine Familie war, und konnte in gewissen Abständen herkommen, um sie mit dem Nötigsten zu versorgen. Wenn sie weiterhin als Nomaden gelebt hätten, hätte ich nie gewusst, wo ich sie finde. Es gehen oft Jahre ins Land, ohne dass sich Angehörige von Nomaden sehen, wobei es sein kann, dass sie nur wenige Meilen entfernt aneinander vorbeiziehen. Es hätte also gut sein können, dass wir uns ganz aus den Augen verlieren.«
    Ich versuchte, ihn mir als Kind vorzustellen. War er wie eines der Nomadenkinder gewesen, die wir auf dem Weg ins Dorf gesehen hatten, mit verfilztem Haar und zerfetzten Kleidern, stämmigen Gliedern und rauen Knien und Ellbogen vom Spielen auf dem steinigen Boden, die so sorglos wirkten, während sie einander übermütig jagten? Wie hatte er sich von einer Kindheit in einem Zelt aus Ziegenwolle und Angehöriger einer Kamelkarawane in den Mann verwandelt, den ich heute kannte, der so fließend Französisch sprach und westliche Manieren beherrschte?
    Mein Blick wanderte zu Badou, der mir nicht von der Seite wich. Während er sich in Marrakesch kaum von den anderen Kindern unterschied, fiel er hier mit seinen glänzenden Haaren, seiner sauberen dschellaba und den farbenfrohen babouches auf.
    Und auch sein Gesicht spiegelte nicht die fröhliche Ausgelassenheit dieser Berberkinder wider. Ein wenig ängstlich hielt er sich von ihnen fern, auch wenn er sich ihnen offensichtlich gern angeschlossen hätte.
    Aszulay rief einem der älteren Mädchen etwas zu, das ungefähr acht oder neun sein mochte, und sie kam zu ihm. Während Aszulay mit ihr sprach, vermied sie es, mich anzusehen. Dann nahm sie Badou bei der Hand und führte ihn zu den anderen Kindern. Zunächst ging der Junge steif neben ihr her, beinahe widerstrebend, doch als sie ungezwungen mit ihm plauderte, blickte er mit großen Augen zu ihr auf.
    » Deine Sprache – Tam… wie heißt sie noch mal?«
    » Tamashek.«
    » Ja, und die andere Berbersprache, die die Menschen in diesem Dorf sprechen, werden diese Sprachen auch in der Schule gelehrt?«
    Aszulay sah mich mit der Andeutung eines Schmunzelns an. » Die Berber haben keine Schulen. Es handelt sich nur um gesprochene Sprachen, keine Schriftsprachen.«
    » Also musstest du erst Arabisch lernen, bevor du nach Marrakesch gegangen bist?«
    » Nein, ich konnte es schon, weil ich es auf den Karawanenrouten gelernt hatte. Um Handel zu betreiben, mussten wir uns mit vielen verschiedenen Völkern verständigen können.«
    » Kann Badou denn die anderen Kinder verstehen?«, fragte ich, indem ich ihm nachblickte, und Aszulay schüttelte den Kopf.
    » Unsere Besuche sind einfach zu selten. Aber Kinder können sich auch verständigen, ohne die Sprache der anderen zu sprechen.«
    Das Mädchen ging mit Badou zu einem Haus, in dessen Schatten ein Hund auf der Seite lag. Während sie näher kamen, hob der Hund den Kopf, und als das Mädchen sich zu ihm hinabbeugte, zog er eine Lefze hoch. Doch das Mädchen achtete nicht auf die Drohgebärde, und als sie sich wieder aufrichtete, sah ich, dass sie einen winzigen Welpen im Arm hielt. Vorsichtig legte sie ihn Badou in die Arme, während sich die Hündin

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