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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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blickte apathisch schräg über meine Schulter nach oben. Hinter mir stand ein Mann, ein Arzt, wie ich an dem Stethoskop um seinen Hals erkannte. Ich ließ die Hand meines Vaters auf die Bettdecke sinken und erhob mich.
    » Können Sie mir etwas über seinen Zustand sagen?«, fragte ich. » Was … wird er wieder gesund werden?«
    Der Arzt blickte zu meinem Vater, dann wieder zu mir. »Er hat mehrere Verletzungen, innerlich.« Etwas an seiner Stimme klang irgendwie vertraut in meinen Ohren. »Und wegen seines Alters … Miss O’Shea, nicht wahr? Sie müssen sich darauf gefasst machen.«
    Ich setzte mich wieder. » Mich gefasst machen?«
    » Wollen Sie nicht eine Zeit lang nach Hause gehen? Der Mann und die Frau, die Sie herbrachten, kannten Sie sie? Können Sie sie benachrichtigen, damit sie Sie abholen?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich erinnerte mich nur vage, dass ein Automobil angehalten hatte, aus dem ein Mann stieg, der meinen Vater auf den Rücksitz seines Wagens hob, während eine Frau mir ein Taschentuch an die Wange drückte und mir den Mantel umlegte. » Ich bleibe bei ihm.«
    Der Arzt schwieg einen Moment lang. » Hat jemand Ihre Mutter angerufen?«, fragte er dann. » Oder vielleicht einen Bruder oder eine Schwester … Wenden Sie sich an eine Schwester, und sie wird den Anruf für Sie erledigen. Sie haben doch Familie, irgendjemanden …«
    » Nein, es gibt nur mich«, unterbrach ich ihn mit heiserer Stimme. » Nur mich.«
    » Hat das Mittel geholfen?«
    Ich sah zu meinem Vater. » Ich weiß nicht.«
    » Nein, ich meine bei Ihnen. Wegen des Gesichts. Es tut noch weh?«
    Wieder tastete ich nach dem Verband. » Nein, ich erinnere mich nicht …«
    » Es ist ein tiefer Schnitt, Miss O’Shea. Winzige Glassplitter haben gesteckt darin. Ich habe sie entfernt und die Wunde genäht.«
    Plötzlich erkannte ich seinen französischen Akzent und auch seinen gelegentlich schiefen Satzbau wieder, verstand, warum mir seine Stimme so vertraut vorkam: Sein Englisch ähnelte dem meiner Mutter. Mit einem Mal konnte ich mich wieder zurückbesinnen: der beißende Geruch eines Desinfektionsmittels, das Gesicht des Mannes über mir, ein Ziehen an meinem Fleisch, die Empfindung von Kälte, ohne Schmerzen zu spüren. » Nein«, sagte ich, » es tut nicht weh.«
    Warum redete er von meiner unbedeutenden Verletzung? Er sollte sich mal lieber um meinen Vater kümmern. » Können Sie denn nichts tun? Vielleicht eine Operation, etwas … irgendetwas, um ihm zu helfen?«
    Der Arzt schüttelte den Kopf. In seinem Gesicht spiegelte sich Besorgnis. » Ich bedaure«, sagte er. » Nun wir können einfach nur warten.« Er zog eine Uhr aus seiner Westentasche und blickte darauf. » Ich muss gehen, aber in ein paar Stunden ich schaue noch mal herein.«
    Ich nickte. Obwohl er sehr professionell wirkte, las ich Betroffenheit in seinem Gesichtsausdruck. Fast so etwas wie Freundlichkeit. Und seine Stimme … Wieder dachte ich an meine Mutter und fühlte mich einsamer als je in meinem Leben. Ich wollte nicht, dass er ging; in diesem Moment vermittelte mir sogar ein Fremder Trost.
    » Miss O’Shea. Sie sollten besser schlafen jetzt. Sie sitzen schon seit vielen Stunden hier. Und das Schmerzmittel macht müde.«
    Unwillkürlich verglich ich ihn mit dem Arzt, der mich behandelt hatte, als ich an Kinderlähmung erkrankt war, und dem, der meine Mutter besucht hatte, als sie im Sterben lag. Jene Männer hatten sicherlich am Ende ihrer beruflichen Laufbahn gestanden; sie erschienen mir rückblickend so alt, so ausgelaugt, als hätten sie ein Leben lang damit verbracht, schlechte Nachrichten zu übermitteln. » Es ist meine Schuld«, sagte ich und wusste selbst nicht, warum ich plötzlich das Bedürfnis hatte, mich dem Arzt anzuvertrauen. Er hatte eine hohe, intelligente Stirn und rosige Wangen. Bestimmt war er noch nicht sehr viele Jahre Arzt, da er kaum älter als ich sein konnte. » Er wollte mich davon abhalten zu fahren.«
    Er antwortete nicht, sondern sah mich, die Hände in den Taschen seines Kittels vergraben, unverwandt an, als wartete er darauf, dass ich weitersprach.
    Wieder ergriff ich die Hand meines Vaters und drückte sie an meine Stirn.
    » Ich bin übrigens Dr. Duverger«, sagte der Arzt. » Wenn Sie mit mir über Ihren Vater oder Ihr Gesicht reden wollen, Sie sich wenden einfach an die Schwester, um mich zu rufen. Dr. Duverger«, sagte er nochmals und sah mich eindringlich an.
    Plötzlich war ich so müde, so erschöpft, dass ich nur

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