Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
gefroren hat. Mit deinem Bein …«
» Hör auf, so ein Theater wegen meines Beins zu machen. Außerdem will ich auch gern zur Auktion. Wir waren seit Monaten auf keiner mehr.« Ich erwähnte nicht, was mich am meisten antrieb: die Lust, endlich mal wieder Auto zu fahren. Später, als ich die Zusammenhänge besser durchschaute, begriff ich, dass mein Drang, wieder hinter dem Lenkrad zu sitzen, auch eine Art körperlicher Begierde war. Ich zog mir den Mantel über, warf einen Blick in den Spiegel über der Anrichte und strich das Haar zurück. » Ich fahre dich, Schluss, aus. Wir werden Spaß haben, Vater«, fügte ich hinzu.
Etwas an mir hatte sich verändert, ich hatte neues Selbstbewusstsein gewonnen.
Mein Vater schüttelte den Kopf und presste die Lippen zusammen, zog sich aber ebenfalls den Mantel sowie Gummiüberschuhe an.
Da ich nicht in dieser Missstimmung losfahren wollte, legte ich den Arm um ihn, drückte ihn und ließ ihn wieder los. Ich lächelte. » Du solltest dir einen Schal umbinden, Vater.«
» Kein Schal vermag den Hals eines Vaters mehr zu wärmen als die Umarmung seiner Tochter«, zitierte er aus seinem irischen Sprichwörterschatz, und ich lächelte ihn noch einmal an.
Diesmal erwiderte er mein Lächeln und nickte.
Zuerst mussten wir die letzten Reste matschigen Schnees aus der Ausfahrt schaufeln. Als wir fertig waren, hatte ich gerötete Wangen und mir war warm, sodass ich den Mantel auszog und ihn zwischen uns legte.
» Sidonie, du wirst dich erkälten.«
» Vater«, sagte ich mit einem Kopfschütteln und grinste dabei, » nun steig ein.« Nichts vermochte meine Vorfreude zu dämpfen.
Es war zwar wunderbar, den Silver Ghost wieder zu fahren, doch bis zu diesem Zeitpunkt kannte ich lediglich die Herausforderung, die von Sommer- oder Herbstregen nasse und rutschige Straßen an mich stellten. Wie mein Vater vorausgesagt hatte, waren die Straßen sehr glatt, und sobald ich zu viel Gas gab, schlitterte der Wagen zur Seite, doch jedes Mal konnte ich rechtzeitig gegensteuern und die Räder wieder in die gewünschte Richtung lenken. Mein Vater sagte nichts, aber das Knirschen seiner Zähne auf dem Mundstück seiner kalten Pfeife sagte mir, wie angespannt er war.
Bald kühlte mein Körper wieder ab, und ich fror; ich spürte, wie angespannt meine Schultern waren. Jetzt bereute ich, den Mantel ausgezogen zu haben, wollte es aber nicht zugeben. Behutsam schaltete ich von einem Gang in den nächsten, und hin und wieder war ein Schleifen zu hören. Jedes Mal, wenn das passierte, sah ich aus dem Augenwinkel, wie mein Vater ruckartig den Kopf zu mir drehte, doch ich achtete nicht darauf. Obwohl es gerade erst früher Nachmittag war, als wir zur Stadt hinausfuhren, wurde der Himmel bereits grießig.
» Schalt die Scheinwerfer an, Sidonie«, sagte mein Vater. » Und bitte fahr an den Straßenrand und zieh den Mantel an.«
Ich schüttelte den Kopf, angespannt von der Konzentration, die das Fahren bei dieser Witterung erforderte. » Es ist ja nicht dunkel, Vater«, sagte ich ungeduldig. Später erinnerte ich mich, wie schrill meine Stimme klang. » Es liegt nur an deinen Augen.«
» Aber es wird neblig.«
» Es sind keine anderen Autos auf der Straße«, sagte ich und blickte zu ihm. Ich sah, wie er meinen Mantel an die Brust drückte und dass sich sein Ausdruck jäh verändert hatte. Zuerst hielt ich es für Wut und schüttelte den Kopf. » Ich bin durchaus in der Lage …«
» Sidonie!«, schrie er, und ich blickte wieder auf die Straße.
Blass wie ein Phantom in der Dunkelheit zeichnete sich ein Laster auf der anderen Straßenseite ab. Sein unerwartetes Erscheinen erschreckte mich so sehr, dass ich scharf einatmete, während ich das Lenkrad herumriss, um dem Lastwagen auszuweichen. Als ich in den folgenden Tagen, Wochen und Monaten diesen Bruchteil einer Sekunde im Geiste wieder und wieder durchlebte, wurde mir klar, dass meine Reaktion gar nicht nötig gewesen war: Der Laster war auf seiner Straßenseite und wir waren auf unserer. Ich hatte ihn einfach nur nicht kommen sehen, als ich kurz zu meinem Vater hinübergeblickt hatte, sodass ich aus meinem Schrecken heraus überreagierte.
Die uns umgebende Landschaft verschwamm vor meinen Augen, während der Wagen herumschleuderte und ich versuchte, ihn unter Kontrolle zu bringen.
» Nicht bremsen!«, schrie mein Vater. » Herunterschalten, du musst herunterschalten!«
Ich versuchte es, doch mein Fuß in dem klobigen Stiefel rutschte vom
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