Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
Vom Netzwerk:
Kupplungspedal. Das Lenkrad wirbelte unter meinen Händen herum. Und plötzlich war da dieses unglaubliche Gefühl, durch die Luft zu fliegen, gefolgt von jäher Dunkelheit.
    Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis ich die Augen wieder öffnete. Durch die Windschutzscheibe bot sich mir ein merkwürdiges Bild. Ich blinzelte und versuchte zu verstehen, was ich sah. Schließlich bemerkte ich, dass der Wagen auf der Seite lag und meine Wange an die Fensterscheibe gepresst war.
    » Vater?«, wisperte ich und bewegte den Kopf. Ich spürte einen scharfen Stich in der Wange; als ich die Hand an die Stelle führte, fühlte ich etwas Scharfes, das in der Wange steckte. Ich zog es raus, ein flüchtiger Schmerz durchfuhr mich, und ich blickte verdattert auf die blutige Scherbe zwischen meinen Fingern.
    »Vater«, sagte ich wieder und ließ die Scherbe fallen. Ich blickte hinüber. Er saß nicht mehr auf dem Beifahrersitz. Einen flüchtigen Moment lang dachte ich, dass er vielleicht ausgestiegen sei, um Hilfe zu holen, doch dann sah ich mit Schrecken, dass die Scheibe auf seiner Seite vollkommen zertrümmert war. Blut klebte an den zackigen Rändern des Beifahrerfensters. Mühsam setzte ich mich auf. Die eine Seite meines Gesichtes schmerzte, aber es war nur ein dumpfes Pochen. Um auszusteigen, musste ich mich über den Schalthebel hinweg zur anderen Seite strecken und versuchen, die Beifahrertür nach oben aufzustoßen. Als es mir schließlich gelang, zog ich mich hinauf, und das Gewicht meines Unterkörpers, der sich dagegen sperrte, erinnerte mich an die erste Zeit meiner Kinderlähmung. Ich kletterte hinaus und ließ mich vor der geöffneten Beifahrertür zu Boden fallen. Der Wagen befand sich halb auf der Straße und halb auf einer leicht abfallenden Böschung, die in ein gefrorenes Stoppelfeld mündete.
    Ich setzte mich auf und spähte durch den feinen Nebel. » Vater!«, rief ich mit leiser, heiserer Stimme. Dann rappelte ich mich auf und begab mich zur Straßenmitte. Vor mir sah ich ein kleines, unbewegliches Tier, im Näherkommen entpuppte es sich als mein Mantel. » Vater«, rief ich wieder, indem ich mich im Kreis drehte, » wo bist du?«
    Und dann machte ich einige Meter vom Wagen entfernt eine Erhebung auf dem Acker aus und wusste, dass es mein Vater war. Als ich bei ihm war, kniete ich mich neben ihn und sagte immer wieder: » Vater, Vater, Vater.« Ich streichelte seinen Kopf, doch abgesehen von der klaffenden Wunde an seiner Stirn und dem vielen Blut sah er aus, als schliefe er. In seinem Kragen hatte sich ein Büschel raues Wintergras verfangen. Ich zog es heraus und legte die Wange an seine Brust. Sie war warm, und ich spürte, wie sie sich hob und senkte.
    Erst da, als mir bewusst wurde, dass er lebte, musste ich weinen.
    » Du wirst wieder gesund, Vater. Du wirst wieder gesund«, sagte ich wieder und wieder unter Schluchzen, während die kalte, feuchte Luft um uns herumwaberte.
    Etwas weckte mich, und ich hob den Kopf, doch mein Vater lag noch immer unbeweglich in seinem Krankenhausbett. Das stechende Pochen in meiner Wange hatte mich geweckt, und ich berührte die Stelle mit der Hand und spürte einen Verband. Ich betastete ihn, ehe ich wieder Vaters Hand ergriff, die ich gehalten hatte, seit man mir zum ersten Mal erlaubt hatte, sein Zimmer zu betreten. Die Haut auf seinem Handrücken fühlte sich papieren an. Unter den dunklen Altersflecken zog sich ein Netz aus dünnen, blauen Venen. Wann war mein Vater so alt geworden?, fragte ich mich.
    Sein Atem hörte einen Moment lang auf, und ich drückte seine Hand, blickte in sein Gesicht. Ein Krampf durchzuckte seine Züge, doch im nächsten Augenblick atmete er weiter, und sein Gesicht entspannte sich. Ich lehnte mich wieder auf meinem Stuhl zurück. Mein Mund war trocken. Ich nahm den metallenen Wasserkrug von dem kleinen Tisch neben dem Bett und betrachtete darin mein Spiegelbild: Das Haar hing mir in langen Strähnen ins Gesicht, meine Augen waren durch die Wölbung des Krugs merkwürdig verzogen, ebenso wie meine dichten Augenbrauen, der weiße Verband auf meiner Wange, und mein leicht geöffneter Mund schien eine Frage stellen zu wollen.
    Ich stellte den Krug auf den Tisch zurück. » Vater«, sagte ich leise. » Vater, bitte.«
    Worum bat ich ihn? Dass er endlich aufwachte? Nicht starb? Mir verzieh? Wieder nahm ich seine Hand und hielt sie an meine unversehrte Wange.
    » Sie sollten sich auch ausruhen, solange er schläft«, sagte eine Stimme, und ich

Weitere Kostenlose Bücher