Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
führen schien, eine leere Leinwand aus Erde und Himmel.
» Piste, Madame«, sagte er.
Ich drehte mich zu ihm. » Pardonnez-moi?«, erwiderte ich.
» Piste, piste. Keine Straße, Sandpiste.«
Ich schüttelte den Kopf und blickte über die Schulter zu Aziz.
» Wir fahren Sandpiste«, erklärte dieser. » Die Spuren von Karawanen. Straßen nicht gut, wir fahren Pisten durch das bled. Vielleicht Straße kommt wieder, vielleicht nicht.«
» Bled?«, wiederholte ich, da ich das Wort nicht kannte.
» Bled. Bled, Madame. Keine Stadt. Land. Groß, hinter Stadt.«
Ich nickte und dachte bei mir, wie glücklich ich mich schätzen konnte, dass Aziz gut genug Französisch sprach, um mir die Beschaffenheit der Landschaft zu erklären und mir zu sagen, wenngleich in sehr rudimentären Worten, wo wir waren und was wir als Nächstes vorhatten.
Wir ruckelten über die raue Sandpiste. Die öde Landschaft war hie und da gesprenkelt von kreisförmig errichteten Lehmhütten mit Dächern aus gewebten Binsenmatten. Die Behausungen wurden von einer Mauer eingefriedet, und in der Nähe gab es ein kleines, behelfsmäßiges Viehgehege – die Zäune bestanden aus niedrigen Kakteenhecken oder geflochtenen Dornenzweigen –, in dem Hunderte von jämmerlich meckernden Ziegen eingepfercht waren. Im Schatten der Zäune saßen vermummte Gestalten; ich nahm an, dass es sich um Männer handelte, da keine Kinder zu sehen waren. Diese Dörfer, so erklärte mir Aziz, wurden nourwal genannt. Als wir dann einige Meilen weiter an Dutzenden von Zelten vorbeikamen, deren Wände aus Ziegen- oder Kamelfellen bestanden und die auf abschüssigem Felsgelände hockten, sagte Aziz, diese hießen douar. Mehrmals noch erblickte ich auf unserer Fahrt eine der beiden unterschiedlichen Behausungsformen, und ich begriff, dass die Lehmhütten mit ihren Wällen und alten Bäumen feste Siedlungen darstellten, während es sich bei den Fellzelten, in deren Nähe Kinder zu sehen waren, die kleine Kamel- und Ziegenherden hüteten, um Nomadendörfer handelte.
Als wir auf die Karawanenpiste eingebogen waren, hatte ich den Eindruck gehabt, die Landschaft sei flach. Welch ein Irrtum. Plötzlich ging es jäh bergab und ebenso jäh wieder bergauf, und das für eine schiere Ewigkeit. Ich klammerte mich am Armaturenbrett fest, während mir der Schweiß aus dem Haaransatz auf die Stirn und über den Nacken rann. Mein Magen hob und senkte sich im Gleichklang mit der Landschaft. Es war beinahe wie auf einem Schiff auf hoher See, und ich fragte mich, ob dieses Land einst von Wasser überschwemmt gewesen war. Fuhren wir vielleicht auf dem Grund eines vor Urzeiten versiegten Meeres?
Ich machte die Augen zu und zog eine Grimasse, während mein Magen einen Satz vollführte. Schließlich öffnete ich sie wieder und wandte mich Mustapha zu, indem ich das Armaturenbrett losließ und mich aufrecht hinsetzte. Ich räusperte mich, wollte keinesfalls, dass diese Männer mich bei einem Anflug von Übelkeit sahen. Es reichte schon, dass sie mich bemitleideten, weil ich unverheiratet war.
» Mustapha«, sagte ich, » ob wir wohl bald wieder auf der Straße fahren können? Ich meine, damit wir Settat vor Einbruch der Nacht erreichen.«
Mustapha antwortete nicht.
» Zu weit von Straße weg«, erklärte stattdessen Aziz. » Besser wir bleiben auf piste. Und heute Nacht wir schlafen in bled.«
» Hier? Mitten in der Landschaft?«, fragte ich ungläubig und blickte mich in der öden, unbevölkerten Weite um, die uns umgab.
» Schlafen in bled«, wiederholte er einfach, und ich starrte geradeaus und beschwor meinen Magen, Ruhe zu geben. Ich dachte, wie enttäuscht Mustapha und Aziz erst sein mussten, nach einem Monat der Trennung von der Familie so nah an zu Hause zu sein und es doch nicht mehr an diesem Tag zu erreichen.
Aber gleichzeitig malte ich mir aus, wie es sein würde, eine lange Nacht inmitten der marokkanischen Wildnis in einem kleinen Auto zu verbringen, noch dazu als Frau allein mit zwei Männern.
NEUN
D as bled, das Hinterland, schien kein Ende nehmen zu wollen, und doch begann ich die Schönheit dieser Landschaft zu erahnen, während die späte Nachmittagssonne auf die ausgedörrte Erde schien, die Felsen und die kümmerlichen Palmenbüschel, die hie und da wuchsen. Irgendwann vergaß ich meinen Magen und zwang mich dazu, mir nicht länger Sorgen wegen der bevorstehenden Nacht zu machen, da ich ohnehin keine andere Wahl hatte.
Stattdessen konzentrierte ich mich auf das Land
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