Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
ganz in Schwarz gekleideten Frau geöffnet. Ihr Gewand ließ nur zwei Augenschlitze frei, doch sie hatte die Augen niedergeschlagen.
» Gehen Sie hinein«, sagte Aziz, und ich folgte seiner Anweisung.
Er trat hinter mir mit meinem Gepäck in den gekachelten Innenhof. Anders als das schäbige, ungestrichene Tor vermuten ließ, lag dahinter ein wunderschöner Hof mit Rosenbeeten und Orangenbäumen.
» Die Frau ist Lalla Huma«, sagte Aziz und stellte meine Koffer auf den gekachelten Boden. » Sie gibt Ihnen Essen, Sie schlafen und geben ihr nur einen Franc.« Er wandte sich zum Gehen.
» Um wie viel Uhr werden Sie mich abholen?«, rief ich ihm nach. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber wieder überkam mich Angst, als er im Begriff war, mich mit der schweigsamen Frau allein zu lassen.
» Wenn Zeit zum Aufbrechen, Madame«, sagte er und fügte, zu der Frau gewandt, etwas hinzu. Sie nahm meine Koffer – obwohl sie kleiner war als ich, hob sie sie mit erstaunlicher Leichtigkeit an – und stieg eine Treppe hinauf, die sich an der einen Mauerseite emporschwang.
Das Tor fiel klirrend ins Schloss, und ich stand allein in dem Hof. Schnell lief ich hinter der Frau die Treppe hinauf und folgte ihr in ein winziges Zimmer im ersten Stock, dessen einziges Fenster mit einem kunstvoll geschnitzten Holzgitter versehen war und zur Straße hinausging. Der Raum war nur mit einer harten Pritsche auf dem Boden ausgestattet, in deren Mitte eine dicke, ordentlich zusammengefaltete, gewebte Decke lag. Am Fuß des Bettes stand eine Schüssel mit einem Holzdeckel, der Nachttopf, wie ich vermutete. Auf dem Fenstersims gab es ein kleines, verziertes Gefäß mit einer Kerze und daneben eine Schachtel Streichhölzer.
Ich zerbrach mir gerade den Kopf, wie ich mich Lalla Huma gegenüber verständlich machen sollte, als sie auch schon aus dem Zimmer huschte, nur um kurz darauf wiederzukommen. Sie hatte eine große Keramikschüssel mit heißem Wasser und ein langes sauberes Tuch dabei. Kaum war sie wieder gegangen, zog ich Schuhe und Strümpfe aus und begann mein Kleid aufzuknöpfen, um mich zu waschen, hielt jedoch inne, um zur Tür zu gehen und sie abzuschließen. Doch sie hatte kein Schloss.
Schnell wusch ich mich und zog mich wieder an, da ich keine Ahnung hatte, was von mir erwartet wurde. Kurz darauf kam Lalla Huma erneut herein, diesmal mit einem Tablett, auf dem ein irdener Teller mit klein gehacktem Fleisch und langen gekochten Karottenstiften sowie eine Kanne Pfefferminztee stand.
Sie nahm die Wasserschüssel und das feuchte Tuch und ging wieder. Weder bekam ich ihr Gesicht zu sehen noch die Augen, die sie bei allen Verrichtungen niedergeschlagen hielt.
Ich aß und trank und zog das Nachthemd an, ehe ich mich auf das schmale Bett legte und die schwere Decke über mich zog. Auf der Straße draußen war es ruhig, nur die Rufe von den Minaretten waren zu hören, als es dunkel wurde: Allahu akbar – Gott ist groß. Seit meiner Ankunft in Marokko hatte ich mich rasch an diese Rufe gewöhnt, die fünfmal am Tag erklangen.
Doch diese inzwischen so vertrauten Laute verstärkten mein Einsamkeitsgefühl noch. » Etienne«, flüsterte ich in die Dunkelheit hinein.
Bei Sonnenaufgang wurde ich vom ersten Gebetsruf geweckt, und ich stand auf, um durch das Holzgitter hinauszuspähen. In der noch ruhigen Straße stand der staubige Citroën. Davor knieten mit der Stirn am Boden Mustapha und Aziz. Ich zog mich schnell an, und ohne den Pfefferminztee entgegenzunehmen, den Lalla Huma mir anbot, kaum hatte sie meine Fußtritte auf dem gekachelten Boden vernommen, eilte ich hinaus. Doch die beiden waren bereits wieder im Wagen und schnarchten im Tandem. Ich dachte zunächst, ich hätte mich geirrt und womöglich zwei andere Männer beim Beten gesehen. Mustapha lag mit dem Kopf unter dem Lenkrad auf dem Rücken und streckte die Füße aus dem Beifahrerfenster; er hatte sich mit der rot-schwarz gestreiften dschellaba zugedeckt. Aziz kauerte in seitlicher Position auf seinem Rücksitz, die Knie angezogen. Auf dem Boden lagen mehrere Säcke und Taschen, vielleicht Proviant für den Rest der Reise, nahm ich an. Als sie mich bei Lalla Huma abgeliefert hatten, hatte ich mir keine Gedanken gemacht, wo sie übernachten würden, und wunderte mich nun, dass sie im Wagen schliefen.
Ich klopfte auf das Wagendach – die Ziegenhäute waren nicht mehr dort –, woraufhin Mustapha erschrocken den Kopf hob und ihn am Lenkrad anschlug. » Non, non, Madame«,
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