Der Duft von Tee
London glücklicher machen würde, dass ich dort vielleicht Frieden finden und dass aus uns eine nette, kleine vierköpfige Familie werden könnte. Wir beide und ein kleiner Sohn und eine Tochter.
»Am schlimmsten ist, dass mein halbes Team nicht ein verdammtes Wort von dem versteht, was ich sage.«
Ich stelle ihn mir umgeben von Chinesen vor, die ihn mit leeren Augen anstarren, genau wie der Mann vor dem Tempel mich angestarrt hat. Pete ist es gewohnt, der Kapitän auf seinem Schiff zu sein.
»Ich weiß auch nicht«, seufzt er. »Es ist nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe.« Er macht eine Pause. »Wie soll es nur weitergehen, Gracie?«
Mir ist klar, dass er nicht nur von seiner Arbeit spricht, und ich starre in meinen Schoß.
»Hörst du mir überhaupt zu? Könnte ich bitte mit meiner Frau sprechen?«
Er streckt die Hand nach meinem Kinn aus, nicht sonderlich sanft. Seine Augen blitzen vor Frustration und Sehnsucht, sein Griff ist fest.
»Pete …«, beginne ich, doch mehr bringe ich nicht heraus.
Einer der Typen vom Nachbartisch schaut zu uns herüber, seine Augen blicken neugierig über sein Bierglas.
»Wir haben noch nicht darüber gesprochen … ich meine, über eine Eizellspende … oder andere Möglichkeiten …«, sagt Pete.
Ich winde mein Gesicht aus seiner Hand. »Nein!«, zische ich durch meine zusammengebissenen Zähne. »Das kann ich nicht, Pete. Wir haben vor den Testergebnissen darüber gesprochen, hast du das vergessen? Ich will das nicht. Ich will nicht darüber sprechen. Mein Körper ist müde. Ich habe genug durchgemacht.«
Pete senkt die Stimme. »Können wir nicht zumindest darüber nachdenken? Herrgott noch mal, Grace, das alles ist auch für mich nicht einfach, weißt du? Und dann noch die Arbeit. Du verstehst das nicht. Du versuchst nicht einmal, es zu verstehen.«
Jetzt blicke ich zu ihm auf. Es fühlt sich an wie eine Ohrfeige. Als ob ich nicht mit ganz anderen Versuchen beschäftigt gewesen bin. Als ob Atmen und Essen und Schlafen nicht anstrengend genug wären.
Er sieht mich durchdringend an, starrt erst in eines meiner Augen und dann in das andere, als würde er etwas suchen, das er verloren hat.
»Du meinst, ich habe es nicht versuch t ?« Mein Ton ist kühl und förmlich. Ich kann nichts dagegen tun.
»So habe ich das nicht gemeint. Tut mir leid«, sagt er, seine Stimme klingt immer noch scharf. »Es ist nur … Scheiße. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Was machen wir jetzt?« Seine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. Er schüttelt traurig den Kopf.
»Ich weiß es nicht«, sage ich klipp und klar. Es ist eine nüchterne, eindeutige Feststellung, die wie eine Glasscheibe zwischen uns steht.
Er lehnt sich zurück. Wir sehen einander schweigend an. Ich habe nicht die Kraft für eine Auseinandersetzung. Auf seinem Gesicht sind neue Falten, als hätte er zu lange auf einem zerknautschten Kissen gelegen, und ich frage mich, wann wir so alt geworden sind. Ich kann den Verlust und die Trauer in seinen Augen sehen, und ich muss mich abwenden.
»Würstchen mit Kartoffelbrei? Cheeseburger?«
Unsere Kellnerin hat weiße Zähne, die sie beim Lächeln herzeigt, und eine honigfarbene Haut. Auf ihrem Schild steht, dass sie SOPHIA heißt. Wir sehen beide zu ihr hoch und nicken wie kleine Kinder. Sie bringt das Besteck, und ich bestelle einen Lemon, Lime & Bitters. Pete schneidet seinen Burger klein und kaut jeden Bissen betont langsam. Die Australier am Tisch nebenan beginnen falsch zu singen, irgendeine alte AC/DC -Nummer. Dann bejubeln sie ihre eigene Vorstellung. Sie reden sich mit Spitznamen oder Nachnamen an – Fazza, Ballo, Smithy.
Das Licht um uns herum färbt sich zu einem tiefen Apricot. Im Hof kreischt ein Mädchen glücklich auf einem Fahrrad. Sie klingt wie ein tropischer Vogel. Ihre langen Locken flattern hinter ihr her, als sie an ihrem älteren Bruder vorbeisaust, der jauchzt und ihr sagt, dass sie schneller fahren soll, noch schneller. Ihr Vater greift hastig ein und hebt sie aus dem Sattel, bevor sie stürzt und sich wehtut. Das Fahrrad fällt auf die Seite, und sie lacht und wirft die Arme in die Luft.
»Gewonnen! Gewonnen!«
»Zeit für’s Bett«, sagt er zu ihr und lacht ebenfalls.
Pete blickt auf sein Essen, und wir tun beide so, als hätten wir nichts gesehen. Ich schiebe den Kartoffelbrei mit der Gabel hin und her.
Am nächsten Morgen ist Pete schon weg, als ich aufwache; die Uhr zeigt 9:49. Sofort beginne ich zu rechnen. Elf Cent zurück,
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