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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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erzähle, wie mir versehentlich ein Tablett mit Rotweingläsern aus der Hand gerutscht ist und ein Gast in einem cremefarbenen Wollpullover alles abbekommen hat, und ich spüre, wie mein Herz ganz seltsam in meiner Brust schlägt.
    In weniger als zwanzig Minuten ist mein Korb bis zum Rand voll und ziemlich schwer. Pata negra , eingelegte Auberginen, sonnengetrocknete Tomaten. Viel zu viel zu essen – geschweige denn zu tragen.
    »Tut mir leid«, entschuldige ich mich. »Ich habe Sie von Ihren Einkäufen abgehalten, und jetzt haben Sie sich die ganze Zeit nur um mich gekümmert.«
    Léon nimmt mir den Korb aus der Hand und gibt ihn der Frau hinter der Theke, die uns ansieht, während sie die Waren einscannt.
    »Kein Problem. Es war schön, eine andere … wie sagt man? … Feinschmeckerin zu treffen. Und ich wollte auch nur Marmelade kaufen.« Er hält ein einzelnes Glas rubinroter Himbeermarmelade hoch. Es ist die gleiche Marmelade, die Mama immer in Frankreich für uns gekauft hat, dünnflüssig, mit weichen Beerenstückchen, die auf der Zunge zergehen, und kleinen Kernen, die zwischen den Zähnen hängen bleiben. »Meine Tochter, sie isst sie jeden Tag. Sie, wie sagt man, sie steht auf Marmelade.«
    »Ja, natürlich«, erwidere ich nickend. Er hat eine Tochter.
    Ich versuche, sein Angebot, mich nach Hause zu fahren, abzulehnen, doch in seiner ruhigen Art besteht er darauf.
    »Das können Sie nicht alles tragen«, sagt er einfach. Er nimmt mir die Einkaufstaschen aus der Hand und stellt sie auf den Rücksitz. Ich setze mich auf den Beifahrersitz und lege die Hände in den Schoß.
    »Okay, wohin?«
    »Schönste Blumenstadt, bitte.«
    »Das lila Gebäude?«
    »Ja. Bitte.«
    Wir fahren schweigend durch die Straßen von Taipa, die von hohen Wohnhäusern gesäumt werden. In der Mitte unserer Straße hängt eine Gruppe Bauarbeiter roten und goldenen Schmuck auf, hauptsächlich Darstellungen von tanzenden und hüpfenden Ratten in chinesischen Pyjamas.
    »Sie haben nur eine Tochter?«, frage ich.
    »Ich habe zwei.« Er wirft einen Blick über die Schulter, um die Spur zu wechseln. »Lila und Joy.«
    »Was für schöne Namen.«
    » Oui . Es sind auch schöne Mädchen.« Er grinst breit. »Und Sie?«
    »Ich? Nein. Keine Kinder.« Als ich es laut ausspreche, habe ich das Gefühl, mit Sand gefüllt zu sein. Man sollte meinen, dass ich mich inzwischen daran gewöhnt hätte. Aber er hat meine Antwort wohl gar nicht gehört, weil er sich auf die Straße konzentrieren muss, als wir in den Kreisel einbiegen. Entweder das, oder er ist höflich genug, das Thema nicht weiter zu vertiefen. Ich halte den Atem an, bis ausreichend Zeit vergangen ist.
    »Hier ist es, danke«, sage ich und zeige auf den Straßenrand gegenüber von unserem Eingang. Nachdem er herangefahren ist, springt er bei laufendem Motor aus dem Auto und greift nach meinen Taschen auf dem Rücksitz.
    »Sie müssen doch nicht …«, protestiere ich, doch er trägt sie mir bis zur Tür, während der Motor läuft und der Schlüssel im Zündschloss steckt. Drinnen beobachtet uns der Pförtner von der Rezeption aus mit leerem Blick.
    »Vielen Dank, Léon.«
    » Sans problème . Es war mir ein Vergnügen. Genießen Sie Ihre Antipasti.« Er lächelt ungezwungen und winkt mir zu, als er über die Straße zu seinem Auto läuft. Ich beobachte, wie er anfährt, und merke, dass mein Pulsschlag sich langsam wieder normalisiert.
    Als ich unsere Wohnungstür aufschließe, plärrt der Fernseher, was mich erschreckt. Pete sitzt auf dem Sofa, er trägt nur ein Businesshemd, eine Krawatte und Boxershorts. Ich stelle eine Tasche auf den Boden. Er sieht gleichgültig zu mir herüber.
    »Hallo, da läuft gerade Tennis. Ich dachte, ich komme zum Essen nach Hause.« Er wendet sich wieder dem Fernseher zu. »Das war im Aus! Bist du blind?«
    Ich schleppe die schweren Taschen in die Küche und hieve sie auf den Arbeitstisch. Ein Plastikbehälter mit sonnengetrockneten Tomaten ist geplatzt. Alles ist voller Öl. Es ist eine Sauerei, aber der Geruch lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.
    »Wo warst du?«, ruft Pete.
    »Im Supermarkt. Ich habe uns ein paar Antipasti geholt.«
    »Aha.«
    »Ich habe Léon getroffen.«
    »Aha.«
    »Du weißt schon, Celines Mann, der Franzose. Der Koch.«
    »Hä?«
    »Léon. Er hat mir bei den Einkäufen geholfen.«
    »Aha … Verdammt, das kann er nicht mehr gewinnen. Was ist denn los mit dem Typen?«
    Ich reiße eine Packung Büffelmozzarella auf.

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