Der Duft von Tee
Kleid scheint auf einmal in der Taille zu spannen. Ich hoffe, dass ich nicht puterrot anlaufe. »Oh. Ja. Es schmeckt mir. Das Essen ist sehr gut.«
»Das ist mein Restaurant. Ich arbeite hier. Ich bin der Koch.«
»Das habe ich nicht gewusst. Ich … ich war früher mal Kellnerin.« Ich weiß nicht, warum ich ihm das erzähle. Es ist mir einfach so herausgerutscht. Ich wechsle das Thema. »Der Pont-l’Éveque ist exzellent. Er kommt aus der Normandie, nicht wahr?«
» Oui . Das stimmt.« Léon hebt die Brauen und lächelt. »Ach, eine Frau, die etwas vom Essen versteht.« Dann runzelt er die Stirn. »Ich wünschte, Celine würde mehr essen. Sie ist zu dünn. Wie ein Spatz. Ich mache mir Sorgen.« Léon stößt missbilligend einen Schwall Luft durch seine vollen Lippen aus. Das muss die französische Version von »tz-tz-tz« sein.
»Ja, also …« Ich suche nach einer angemessenen Antwort. Ich spüre, wie mein Herz leichter wird, und fast hätte ein ehrliches Lächeln mein Gesicht erreicht. Fast.
Als Pete und ich an diesem Abend durch die feuchte Luft nach Hause gehen, zieht sich das Schweigen zwischen uns in die Länge. Hin und wieder brummt er etwas, als würde er sich selbst zustimmen. Sicher grübelt er über die Arbeit nach. Wir kommen nach Hause, er schaltet BBC an und zieht sich die Schuhe aus. Ich gehe ins Bad, um mich abzuschminken. Im Hintergrund ist das Gemurmel englischer Reporter zu hören, als ich nackt ins Bett krieche und mir ein zusätzliches Kissen unter den Kopf schiebe. Ich greife unter meinen Nachttisch nach den Kochbüchern, die sich dort stapeln. Ich lese gerade in Rick Stein’s French Odyssey , als Pete aus dem Wohnzimmer kommt. Er geht ins Bad, um sich die Zähne zu putzen.
»Hattest du einen schönen Abend?«, ruft er herüber.
»War ganz okay.«
»Hab ich’s dir doch gesagt.«
»Mmm …«
Er zieht sich Hemd und Krawatte aus und wirft beides auf einen Stuhl am Ende des Betts. Dann sieht er mich an oder den Buchumschlag, ich bin mir nicht sicher. Er schlüpft in saubere Boxershorts, die mit den orangefarbenen Streifen, die er so gerne im Bett trägt. Er legt sich auf den Rücken und starrt an die Decke, seine Hand wandert auf meinen Oberschenkel. Der Luftentfeuchter klappert, während ich mich mit den Geheimnissen einer guten Zwiebelsuppe vertraut mache. Klar und braun muss sie sein und nach den Straßen und Ecken von Paris duften. So viele Zwiebeln? Vielleicht sollte ich morgen auf den Markt in Taipa gehen.
»Gute Nacht, Liebling«, sagt Pete. Er klingt kühl, distanziert, seine Hand rutscht von meinem Bein.
Ein wenig später sage ich Rick Stein Gute Nacht und schließe das Buch. Mein Kopf ist voll mit Rezepten und französischem Essen, mein Magen voll Käse. Ich schalte meine Lampe aus und drehe mich herum, schaueden kleinen, dunklen Hügel aus Bettlaken an, unter dem sich Pete verbirgt. Ich lege meine Hand auf seine kräftige Schulter und spüre seine Wärme durch das Laken, bevor ich mich wieder umdrehe.
Liebste Mama,
ich habe von französischem Essen geträumt. Erinnerst du dich an die vielen Käsesorten? An das Brot? Wie wir uns vorgestellt haben, unser eigenes Bistro aufzumachen? Du und ich, wie wir Baguette und die Tagessuppe servieren? Eine Terrasse in der Sonne, weiße Teller und silbernes Besteck. Hunde, die aus Untertellern trinken, hohe Absätze unter schmiedeeisernen Tischen. Dabei denke ich ständig an »Summertime«. Ich höre es in meinem Kopf, wieder und wieder, wie eine lakritzfarbene Schallplatte. Du weißt schon, aus Porgy und Bess.
Ich habe an Paris gedacht, Mama.
Ich habe mich erinnert, wie ich dieses Lied gehört habe. Ich meine, wie ich es zum allerersten Mal gehört habe. Als ich im Hotel aufgewacht bin und du nicht da warst. Es war eine dunkle, kalte Nacht. Ich war gerade mal groß genug, um an den Lichtschalter zu kommen, obwohl ich hochspringen musste, um ihn zu erreichen. Ich dachte, du wärst in der Ecke oder hinter dem Schrank und würdest mir einen Streich spielen. Ich habe unter dem Bett nachgesehen, doch da war nur eine klebrige, staubige Halstablette. Ich habe mich eine Weile auf das Bett gesetzt, ein Stück Decke zu mir herangezogen, sie in den Mund gesteckt und darauf rumgekaut. Dann habe ich mir selbst meine Stiefel angezogen und meinen Wintermantel über das Nachthemd und bin aus dem Zimmer und
die Treppe hinuntergeschlichen. Der Portier hat in seinem Stuhl geschnarcht. Die Nachtluft draußen war eisig, und an den Oberschenkeln hatte
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