Der Duft von Tee
Frage lässt mich innehalten. Nach den Jahren in London habe ich mich in der ersten Zeit in Macao nach Dingen gesehnt, von denen ich nicht gedacht hätte, dass ich sie jemals vermissen würde. Lächerliche, scheinbar belanglose Dinge. Hefebrotaufstrich mit Toast, die Anonymität des U-Bahn-Fahrens, die Wärme der Pubs. Die Wochenendbeilage des Guardian – oh, wie ich mich danach gesehnt habe. Sogar den grässlichen grauen Londoner Himmel habe ich vermisst. Ich denke an diese ersten Monate in China zurück. Wie ich Dinge vergessen, Schlüssel und Socken und Zeitungen verlegt habe. Ich habe geweint statt gelacht, als ich eine Folge von Little Britain gesehen habe, habe Eierschalen in den Kuchenteig gegeben und die Eier in den Müll. Und vor allem habe ich Mama vermisst, natürlich, ihr Lachen über einer Tasse Tee, den Geschmack ihres speziellen Brombeersirups auf den Pfannkuchen. So ist Heimweh nun einmal – eine Krankheit, wie ein lästiger Husten oder ein Ausschlag, den du ignorieren musst, bis du ihn vergessen oder dich an ihn gewöhnt hast oder beides.
Auch meine Gäste leiden darunter, das ist deutlich zu sehen; ich frage mich, ob ihnen klar ist, wie durchschaubar sie sind. Ihre traurigen Gesichter über den Teekannen und leeren Tellern voller Krümel. Sie bleiben zu lange und reden zu viel, freuen sich über einen vertrauten Akzent oder eine englische Speisekarte. Persönliche Details werden bei der Bestellung oder beim Bezahlen ausgeplaudert, gefolgt von gezwungenem Lachen, unbeholfenem Lächeln. Wenn du sie fragst, wie es ihnen geht – was ich mir inzwischen abgewöhnt habe – kommt immer eine höfliche Lüge, schlüpfrig wie der Regen auf der Straße. Oh, Macao ist wundervoll, eine riesige Chance für uns. Eine eigene Haushaltshilfe – das muss man sich mal vorstellen! All meine Freunde zu Hause beneiden mich. Und am Wochenende fahren wir nach Phuket, wissen Sie. Unmittelbar bevor sie ins Schwärmen geraten und lächeln, kannst du eine Pause wahrnehmen, wenn du aufmerksam bist. Es ist keine lange Pause, aber lang genug. Ein kleiner Moment der Wahrheit, dunkel und stumm. Ich hasse dieses fortwährende Bedürfnis, so zu tun, als wäre unser Leben die reinste Glückseligkeit. Ich glaube, dass ich deshalb immer so schüchtern war; ich habe dieses Verhalten nie verstanden. Die glatten Lügen und Halbwahrheiten verursachen mir Unwohlsein und Übelkeit.
»Jetzt nicht mehr«, sage ich leise. Was ich wirklich vermisse, ist nicht meine Vergangenheit, sondern das, was ich für meine Zukunft gehalten habe: Kinder, Kuchen backen, eine Familie gründen.
Rilla lächelt. Sie lehnt sich in ihrem Stuhl zurück und beginnt zu summen, während sie die letzten Bananenstücke mit den Zähnen von dem Stäbchen knabbert. In diesen ruhigen Momenten ist sie wunderschön. Zufrieden. Falls Pete und ich Macao verlassen müssen, können wir immer nach Australien oder England zurückkehren. Wir könnten mit unseren Pässen auch nach Kanada, Europa und fast überallhin sonst gehen. Finster denke ich darüber nach, wie viel beschränkter Rillas Möglichkeiten sind.
»Yok Lan!«, singt sie mit vollem Mund.
Die alte Dame kommt auf den Arm ihrer Enkelin gestützt herein. Gigi ist früh dran. Sie trägt Leggins und ein übergroßes Hemd, das frisch gebügelt ist, wie ich feststelle. Das Haar ist ordentlich aus dem Gesicht gebunden. Sie sieht ein wenig schüchtern zu mir auf, ihre Wimpern sind dick getuscht. Rilla springt auf, um eine Kanne von Yok Lans Lieblingstee aufzusetzen.
»Möchtet ihr eine gefrorene Schokoladenbanane?«, frage ich.
Gigi übersetzt für ihre Großmutter, die den Kopf schüttelt. »Pau Pau nicht, aber ich gerne.« Sie lässt sich auf einen Stuhl sinken. Mir entgeht nicht, dass sie Woche für Woche schwerer wird. Sie stellt Yok Lans Stock beiseite, dann greift sie nach einer Speisekarte und fächelt ihr damit Luft zu. Es ist nur eine kleine Geste, doch voller Liebe. Yok Lan lächelt und schließt die Augen, ihre Wangen legen sich in sanfte, teigige Falten.
»Kannst du Yok Lan fragen, ob sie heute Eistee möchte?«, ruft Rilla von der Theke her.
»Nein, sie trinkt ihn heiß, egal wie das Wetter ist«, antwortet Gigi für sie und zuckt mit den Schultern. Mit hochgezogenen Brauen murmelt sie mir zu: »Sie ist von der alten Schule. Du weißt schon, traditionell.«
Yok Lan lächelt ihre Enkelin an.
»Äh, wir haben etwas für dich«, sagt Gigi verlegen.
Rilla bringt eine Tasse, eine Teekanne und einen Teller mit
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