Der Duft von Tee
wohltätigen Komponente haben ihn so begeistert, dass er gleich mehrere Dutzend für einen Brunch am kommenden Wochenende im Aurora in Auftrag gegeben hat. Ich habe ihm gesagt, dass er die Idee gerne kopieren kann, wenn er will; er hat sich dem Lillian’s gegenüber als so großzügig erwiesen, dass das das Mindeste ist, was wir für ihn tun können. Doch er hat mir enttäuscht erzählt, dass der größte Teil der Pâtisserie verkauft wurde, um Platz für eine chinesische Nudelküche zu schaffen. Also habe ich den Auftrag mit Freude angenommen und ihm einen Rabatt eingeräumt. Ich möchte ihm Macarons präsentieren, für die er stolz auf mich sein kann. Sie müssen perfekt sein. Für uns ist das ein großer Auftrag; er wird ein paar Abende ausfüllen. Im Moment muss ich mich zwar mit anderen Dingen beschäftigen, aber ich überlege mir trotzdem genau, welche zusätzlichen Zutaten wir einkaufen müssen.
Ich bemerke die dunkelhaarige Frau erst wieder, als ich das Fenster putze, obwohl sie sich fast ganz aus dem Blickfeld zurückgezogen hat. Sie schaut auf ihre Füße und schiebt einen Stein mit dem Zeh herum. Sie hat die Arme verschränkt und so fest um sich geschlungen, als wollte sie sich umarmen. Obwohl es warm ist, trägt sie ein dunkelgrünes Kapuzensweatshirt. Das lange Haar hat sie in den Kragen gesteckt. Sie kommt mir nicht bekannt vor.
»Rilla?«, rufe ich.
»Ja?«
»Ich glaube, da ist jemand für dich.«
Rilla tritt hinter mich und sieht auf die Straße hinaus. »Ja?«
»Nicht da, da.« Ich drehe sie sanft nach links und deute auf die Frau, die plötzlich aufblickt. Schwarzes Haar rahmt ihr rundes Gesicht ein; ihre Augen sind dunkel wie Ruß. Sie ist älter, als ich aufgrund ihrer schlanken Gestalt angenommen habe, vielleicht Anfang zwanzig – in Rillas Alter.
»Ja, okay. Kann ich …?«, fragt Rilla. Ihre Stimme hat eine seltsame Entschlossenheit, die ich nicht von ihr kenne. Ihr Mund bildet eine ernste Linie.
»Natürlich.« Ich putze weiter wie wild die Scheibe mit einer zusammengeknüllten Zeitung. Das war Rillas Tipp, und sie hatte vollkommen recht, es funktioniert ganz ausgezeichnet. Als ich einen Schritt zurücktrete, glänzt die Scheibe im warmen Nachmittagslicht.
Rilla hat die Frau über die Straße geführt. Jetzt beugt sie sich zu ihr vor, wobei sie sie sanft am Arm festhält. Rillas Lippen bewegen sich schnell, ihr Gesicht ist besorgt, aber freundlich. Die Frau hat die Hände in die Sweatshirttaschen gesteckt, zu Fäusten geballt, ich kann die Knöchel unter dem Stoff erkennen. Rilla greift mit ihren kleinen Händen nach den Schultern der Frau und sieht ihr in die Augen. Die Frau nickt, dann lehnt sie sich langsam gegen Rilla, die sie in einer Umarmung auffängt. Sie wiegt sie wie ein Baby, die Augen geschlossen, den Mund zu einem Psssst geformt. Als Rilla die Augen wieder öffnet, beobachtet sie mich durch die Scheibe, wie ich die Zeitung schlaff in der Hand halte und den Blick starr auf sie und die Frau gerichtet habe. Ich werde rot vor Scham, drehe mich zu schnell um und stolpere fast über ein Stuhlbein. Ich lasse Zeitung und Glasreiniger auf einem leeren Tisch stehen und gehe in die Küche. Das Geschirr, das Rilla gerade spülen wollte, schwimmt in der Seifenlauge im Spülbecken. Ich ziehe mir ein paar goldfarbene Küchenhandschuhe an und tauche die Hände tief ins Wasser.
Le Dragon Rouge – Der rote Drache
Drachenfrucht mit einer Füllung aus Zitronengrasbuttercreme
»Man hat Sie über den Tisch gezogen«, sagt Gigi unverblümt, als sie ihre Rechnung mit einem Haufen Münzen bezahlt.
»Über den Tisch gezogen?«, wiederhole ich und suche das Wechselgeld zusammen.
»Die Zusteller, die Ihnen Mehl, Zucker und all das liefern? Die haben sich darüber unterhalten. Einige der Sachen sind Ihnen für fast das Doppelte in Rechnung gestellt worden.«
Ich blicke schnell zu ihr hoch.
»Ehrlich«, sagt sie defensiv.
»Sie … haben sich darüber unterhalten?«, frage ich langsam und schließe die Kasse.
»Ja. Ich habe sie schon öfter hier gesehen, und das letzte Mal haben sie sich über den Großhändler unterhalten. Ich kenne ihn. Das heißt, ich weiß, wie er arbeitet.«
Ich muss verwirrt aussehen, denn sie fährt wütend fort. »Meine Großmutter hatte ein Restaurant. Meine Familie hat immer Restaurants gehabt. Nun ja, bis Ma den Laden gegen die Wand gefahren hat. Jetzt macht sie in Immobilien wie all die anderen gierigen …« Sie schüttelt den Kopf. »Egal, dieser Typ, das
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