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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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einer Auswahl an Macarons an den Tisch. Sie gibt Gigi ihre gefrorene Banane. Gigi nimmt sie entgegen und greift mit der anderen Hand in die Tasche zu ihren Füßen. Sie stöhnt leicht, als sie sich vorbeugt.
    »Pau Pau …?« Sie beendet die Frage auf Kantonesisch.
    Yok Lan setzt sich auf und nickt. Sie sieht mich mit glänzenden Augen an und nippt wie ein Vögelchen an ihrem Tee.
    Gigi reicht mir eine dünne Plastikhülle, in der ein Blatt Papier steckt. »Pau Pau hat das gefunden und möchte, dass du es bekommst«, erklärt sie.
    Das Papier ist weich und abgenutzt, ungefähr 17,5 Zentimeter im Quadrat. Es ist ein Druck von Kindern in leuchtenden Shorts und Hemden, die tanzen und rote, zischende Ringe herumwirbeln. Den Mädchen hängen lange, dunkle Zöpfe wie Taue über den Rücken, die Haare der Jungen sind halbrund geschnitten und flattern in einer angedeuteten Brise. Die Kinder tragen lange weiße Socken. Eine schmale Mondsichel hängt am Himmel. Unten links befindet sich ein verblasster roter Rand mit schwarzen chinesischen Buchstaben, danach ein paar Worte in westlicher Schrift: YICK LOONG FEUERWERKSKÖRPER CO . Ich spüre Rillas Atem neben meiner Schulter, als sie sich neugierig vorbeugt.
    »Das ist ein altes Plakat. Die Firma war einmal sehr bekannt. Ihre Fabrik stand hier in Taipa; Freunde von ihr haben die Feuerwerkskörper mit der Hand gerollt. Sie hat gedacht, dass du es vielleicht gern in deinem Café aufhängen würdest? Aber nur, wenn du magst«, fügt sie schnell hinzu.
    Yok Lan sieht mich an, ein Lächeln hebt ihre Wangen. Sie beobachtet meine Reaktion.
    »Es ist wunderschön«, erkläre ich. Ich überlege bereits, wo ich es hinhänge. Vielleicht rahme ich es in einem grünen Passepartout. Pete kann mir beim Aufhängen helfen. Ich stehe von meinem Stuhl auf und laufe damit im Lillian’s herum. Eine Wand ist traumhaft in Licht getaucht, doch wahrscheinlich wird die grelle Sonne das Bild ausbleichen. Ich halte es eine Armlänge von mir entfernt dagegen. Yok Lan grinst vor Vergnügen, die Handflächen gegeneinandergedrückt. Sie schwatzt fröhlich auf Kantonesisch. Gigi steht auf und kommt zu mir herüber. Sie zieht ihren Pferdeschwanz fester und presst begutachtend die Lippen aufeinander.
    »Vielleicht hier?«, schlägt sie vor und beugt sich über den Tisch. Ich neige den Kopf zur Seite und sehe zu der schmalen Wand neben der Theke hinüber. Dort ist es hell genug, und trotzdem wird das Sonnenlicht den Druck nicht ausbleichen.
    »Wir müssen den Tisch wegschieben …«, Rilla zeigt mit der einen Hand darauf, während sie mit der anderen Yok Lan aus der Kanne Tee eingießt.
    »Ich mach das.« Gigi lehnt sich energisch über den Tisch, um nach der Kante zu greifen. Ihr Hemd wölbt sich, als sie tief ausatmet. Yok Lan sieht streng zu ihr auf. Eine erschrockene Warnung auf Kantonesisch sprudelt aus ihr heraus. Sie greift nach ihrem Stock.
    Gigi lässt den Tisch los und tritt einen Schritt zurück. Es ist ihr so peinlich, dass sie rot anläuft. »Ich schaffe das schon, Pau Pau!«
    Rilla legt Yok Lan die Hand auf die Schulter, um sie zu beruhigen. Gigis Wangen glühen. Ich habe das Bedürfnis, eine Million Fragen zu stellen, doch nicht eine kommt über meine Lippen. Rilla sieht mich an, aber ich kann nicht aufhören, Gigi anzustarren, und nehme Rillas vielsagenden Blick nur aus dem Augenwinkel wahr. Wir alle stehen wie erstarrt da, ein drückendes Schweigen hängt in der Luft.
    »Wer mag ein Macaron?«, sagt Rilla schließlich. »Wir haben ein neues … Grace, wie heißt es doch gleich?« Sie räuspert sich bewusst.
    Ich finde meine Stimme wieder und antworte: » Le Dragon Rouge .«
    »Es ist aus Drachenfrüchten …«
    »Mit einer Zitronengrasfüllung.«
    »Es ist fruchtig und cremig zugleich.« Rilla nickt mir zu. »Köstlich.«
    Gigis Blick wandert zu Rilla und wieder zu mir zurück. Sie senkt den Kopf. »Ich kann arbeiten«, flüstert sie. »Gar kein Problem.«
    Ihr Gesicht ist ernst und doch nicht so grimmig wie sonst; ich würde sie am liebsten in die Arme nehmen. Doch sie scheint mir so zäh, so unverwüstlich, und das hält mich davon ab.
    Ich nicke und lege ihr die Hand auf die schmale Schulter. »Ich weiß. Ist schon okay.«
    Ich höre Rilla mit Yok Lan über die verschiedenenMacarons auf dem Teller plaudern. Sie zeigt auf jedes und sagt etwas dazu, obwohl die alte Frau nicht ein Wort von ihrem Englisch versteht. Yok Lan beobachtet, wie Rillas Finger in lebhaften Kreisen über den weißen Teller

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