Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
Vom Netzwerk:
Hitze durch meine Venen jagt. Als wäre ich mit Mamas rot glühender Wildheit infiziert. Ich möchte Dinge sagen, die ich nicht zurücknehmen kann. So etwas wie: Ich hätte dich nicht heiraten sollen! Dinge, die sie mir einmal gesagt hat: Ich brauche dich nicht. Ich will dich nicht hierhaben. Vielleicht warst du ein Fehler. Ich spüre, wie ich zu zittern beginne. Seine Hand greift nach meiner.
    »Komm mir nicht zu nahe! Komm mir bloß nicht zu nahe!« Meine Stimme bebt.
    Er sieht zu mir hoch, schweigend, mit offenem Mund. Seine Augen blicken mich flehend an, dunkel und unglücklich.
    Ich möchte das herausschreien, was Mama geschrien hat. Ihre letzten, schlimmen Worte, die sich mir für immer ins Gedächtnis eingebrannt haben. Geh! Geh, und komm nie mehr zurück! Komm nur nicht zurück!
    Ich spüre, wie aus den tiefsten Tiefen meines Seins Tränen aufsteigen.
    »Ich will nicht mit dir reden; ich will dich nicht einmal ansehen.«
    Mit zitternder Hand nehme ich meinen Teller und werfe ihn gegen die Wand. Er zerschmettert laut. Bratensoße läuft klebrig und braun an der Tapete hinunter. Mein Herz hämmert, als wollte es meine Brust sprengen. Ich halte es hier nicht mehr aus. Ich stoße den Stuhl weg und höre, wie er auf den Boden knallt. Ohne mich umzusehen stürme ich ins Arbeitszimmer und schlage die Tür hinter mir zu. Ich sitze vor dem Computerbildschirm und schnappe nach Luft. Tränen laufen meine heißen Wangen hinunter.
    Meine Hände zittern, mein Körper wird von Schluchzern geschüttelt. Ich atme ein und aus, ein und aus. Langsam, langsam. Die Enge in meiner Brust macht einem dumpfen Kopfschmerz Platz, wie nach einem Kater. Ich fühle mich so erschöpft, als wäre ich einen Marathon gelaufen.
    Schließlich höre ich ein Klappern, als Pete nach seinen Schlüsseln greift. Er geht, schließt leise die Tür hinter sich. Ich lege meinen Kopf neben die Tastatur und starre die Tabulator-Taste an, bis sie vor meinen Augen verschwimmt.
    Liebste Mama,
    ich bin am Ende. Ich fühle mich wie ein Stück Glas im Ozean. Erst hell und glitzernd, dann matt und grün, rau und trüb im Sand. Gibt es von hier einen Weg zurück?
    Mama, bist du je eines Morgens aufgewacht und warst überrascht, wie sich dein Leben entwickelt hat? So ist es mir heute Morgen ergangen. Die Sonne schien durch die Fenster des Gästezimmers. Pete lag nicht neben mir. Ich habe die Hand nach ihm ausgestreckt, doch sie fiel auf glatte, leere Laken, und ich bin voller Wut aufgewacht. Ich habe mir die Hand vor das Gesicht gehalten und gedacht: Wessen Hand ist das? Man sollte doch die Rückseite seiner eigenen Hand erkennen. Ich kenne meine Hand nicht mehr, Mama. Ich kenne weder meine Hand noch meine Beine noch mein Gesicht. Und mein Herz kenne ich schon gar nicht.
    Ich bin mir selbst fremd.
    Der einzige Ort, an dem ich weiß, wer ich bin, ist das Lillian’s.
    Deine dich liebende Tochter
    Grace

Une Vie T ranquille – Ein ruhiges Leben
    Ananas mit einer Buttertoffeeganache
    Die Klingel über der Tür läutet, reißt mich abrupt aus meinen Gedanken. Ich starre mit stumpfsinniger Benommenheit in den Ofen und beobachte, wie die Macarons aufgehen; langsam entsteht etwas Neues. Mein Magen verkrampft sich, als ich einen Mann mit Rilla reden höre. Ich weiß, dass es unhöflich ist, aber ich beuge mich ein wenig vor, um besser lauschen zu können. Rillas Kopf erscheint in der Küchentür.
    »Grace? Léon ist hier«, sagt sie leise. »Er möchte dich sprechen.«
    Ich frage mich, ob ihr auffällt, dass meine Augen größer werden, ob sie mein Herz pochen hört. Sie sagt nichts weiter, trägt Tassen und Untertassen zur Spüle. Ich fahre mir mit den Fingern durchs Haar.
    León trägt eine schwarze Lederjacke und Jeans. Er lächelt mich vorsichtig an. Hitze steigt in meinem Nacken auf und kriecht über mein Kinn in die Wangen.
    »Hallo, Léon, wie geht es dir?«
    »Gut, danke«, antwortet er ruhig. Er lehnt sich über die Theke, um mir einen Kuss auf jede Wange zu geben, und ich stoße mit ihm zusammen. Die Teekanne klirrt auf dem Arbeitstisch.
    »Kann ich dir etwas anbieten?« Die Schläge meines Herzens nehmen an Tempo zu.
    »Nein. Also … ich wollte mit dir reden.«
    Ich zeige auf einen Tisch und ziehe meine Schürze aus.
    »Rilla?«, rufe ich.
    »Ja?«
    »Könntest du uns bitte Kaffee und ein paar Macarons bringen?«
    Sie kommt aus der Küche, ihre Augen huschen zwischen Léon und mir hin und her.
    »Natürlich, Grace.«
    Léon lächelt mich gezwungen an. »Es tut

Weitere Kostenlose Bücher