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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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Körper. Ich schlürfe meinen Kaffee so langsam und ruhig wie möglich. Wie dumm ich doch war.
    An diesem Nachmittag ist Gigi spät dran. Ihre Haare sind total in Unordnung. Sie grinst mich und Rilla hinter der Theke an.
    »Also, ich habe mich darum gekümmert.«
    Rilla blickt auf. »Um was?«
    »Um die Lieferanten, die uns übers Ohr hauen wollten.« Sie wirft ihre Tasche über den Haken in der Küche. Ihr Hemd hat im Nacken einen kleinen Schweißrand. »Sie haben gesagt, dass sie nicht verstehen, was an dem Mandelpulver anders sein soll. Entweder sind das Idioten oder Lügner. Wir nehmen jedenfalls nichts mehr von diesem billigen Scheiß.«
    Rilla lacht. Sie hat nicht das gleiche kulinarische Interesse an Macarons wie Gigi und ich, aber es gefällt ihr, wenn Gigi flucht. Was sie in letzter Zeit immer häufiger tut, vor allem, wenn sie aufgeregt ist. Marjory scheint einen schlechten Einfluss auf sie zu haben.
    »Du sollst hier nicht fluchen, Gigi«, sage ich knapp.
    Gigi sieht sich im Café um. Es ist ziemlich ruhig. Ein Typ sitzt mit seinem Handy in der Ecke. Die Ruhe vor dem Sturm nach der Schule.
    »Aber hier ist doch niemand.« Sie macht eine ausladende Handbewegung. »Sollen wir heute was Neues ausprobieren? Ich habe eine Idee, die euch vom Hocker reißen wird, so gut ist sie.«
    »Ein neues Macaron?«, fragt Rilla und poliert das Besteck mit einem Handtuch.
    »Oh, ja, meine Liebe. Eine wunderbare Idee! Grace, wir brauchen noch ein paar Zitronen für das Aroma.«
    Ärger steigt in mir auf.
    Ein paar Haarsträhnen, die sich aus ihrem schlaffen Pferdeschwanz gelöst haben, fallen Gigi ins Gesicht. Sie greift hinter sich nach einer Schürze, die inzwischen über ihrem Kugelbauch ordentlich spannt.
    »Also, wenn euch das nicht vom Hocker reißt, will ich die verdammte Queen sein.« Sie grinst, ihre dunklen Mandelaugen funkeln.
    Ich sehe sie scharf an. »Gigi, ich habe dich gebeten nicht zu fluchen – egal, wer im Café ist.«
    Rilla und Gigi sehen sich an.
    »Und könntest du in Zukunft versuchen, pünktlich zu sein? Es ist Viertel nach, und wir hatten noch keine Pause.«
    Gigi verschränkt die Arme. »Was ist denn los mit dir?«
    »Mir gehört dieses Café, falls du das vergessen hast. Ich bezahle euch. Du bist spät dran.« Jetzt bin ich richtig in Fahrt; meine Stimme klingt seltsam giftig. »Und du siehst aus wie eine Pennerin«, füge ich noch hinzu. Ich kann einfach nicht anders.
    »Eine was?«, flüstert Rilla Gigi zu.
    »Sie hat gesagt, dass ich scheiße aussehe«, antwortet Gigi laut. Sie wirkt wütend, beleidigt, doch sie steht kerzengerade vor mir.
    »Bist du taub? Hier wird nicht geflucht.« Ich habe meine Stimme zu einer Lautstärke erhoben, die den Kunden von seinem Telefonat aufblicken lässt. Ich richte mich ebenfalls zu meiner vollen Größe auf. Ich bin nicht ihre Schwester, ihre Lehrerin oder ihre Mutter. Ich bin ihre Chefin. Warum also will niemand auf mich hören? Ich senke die Stimme. »Ja, du siehst scheiße aus, und ja, du bist spät dran«, zische ich. »Du musst das alles hier ein bisschen ernster nehmen, Gigi. Benimm dich wie eine Erwachsene, kapiert?«
    Rilla macht große Augen und bringt sich in der Küche in Sicherheit.
    Gigis Augen verengen sich. »Ein bisschen ernster nehmen?«
    »Ja.«
    Ich höre die Türklingel. Unser Gast ist verschwunden. Er hat ein paar Münzen auf der Untertasse liegen lassen. Das Lillian’s ist jetzt völlig leer. Das ölige Sonnenlicht des frühen Nachmittags wabert durch den Raum.
    Gigi atmet langsam ein und hebt den Kopf. Sie hat den Mund fest zusammengepresst und zieht eine schwarze Augenbraue hoch.
    »Gut. Ich werd’s versuchen, Grace .« Sie stößt die Küchentür auf, ein harter, schmerzhafter Schlag mit der Handfläche gegen das Holz. Mamas Stimme hallt wieder durch meinen Kopf: Komm nie mehr wieder!
    »Freut mich zu hören, Gigi «, rufe ich, als die Tür zuschwingt, und selbst mir fällt die Boshaftigkeit in meiner Stimme auf.
    Heute Abend habe ich die Wohnung für mich. Pete macht Nachtschicht, was ich nur deshalb weiß, weil ich ihn am Telefon mit irgendeinem Schichtmanager habe reden hören. Als ich in die Küche gehe, um mir ein Glas Wein einzugießen, liegt neben dem Olivenöl ein kleiner, zu einem Zelt gefalteter Zettel. Mein Name steht darauf. Ich falte ihn auseinander.
    Grace,
    es ist Tage her, seit wir miteinander gesprochen haben. Das Schweigen bringt mich um.
    Ich versichere dir, dass es nur ein einziges Mal war und dass es nie mehr

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