Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
Vom Netzwerk:
den Himmel und schüttle den Kopf, bemühe mich, nicht in Tränen auszubrechen. »Jetzt muss ich ihn mir mit einer anderen Frau vorstellen.«
    Marjory legt den Kopf schief. »Vielleicht war es gar nicht die Vorstellung, dass du mit Léon schlafen könntest, die ihn so wütend gemacht hat – sondern der Gedanke, dass du dich mit ihm austauschst.«
    »Wie meinst du das?«
    »Dass du ihm Zutritt gewährst, Grace. Zu dem, was dich antreibt. Zu deinem Innersten.« Sie starrt mir in die Augen und tippt sich auf das Schlüselbein.
    Das Innerste.
    »Hör mal, ich bin keine Eheberaterin. Verdammt, ich bin doch selbst alles andere als perfekt.« Sie seufzt. »Denk einfach … denk einfach mal darüber nach, Liebes.«
    Wir verbringen die nächsten Minuten schweigend, beobachten, wie die Wolken vorbeiziehen. Ich atme mehrmals tief durch. Marjory setzt sich gerade hin.
    »Los jetzt«, sagt sie. »Du musst nach Hause, und ich muss zu meinem DVD -Workout mit Cindy Crawford.«
    Sie greift nach meiner Hand und drückt sie, dann gleite ich vom Beifahrersitz und stehe auf dem Bürgersteig.
    »Wir sehen uns morgen«, verspricht sie.
    Ich winke ihr hinterher. Als das Auto um die Kurve biegt, sehe ich, wie sie mich anlächelt und eine Hand vom Lenkrad hebt. Der Abend kommt, und das Licht schwindet. Eine samtene Schwärze überzieht den Himmel. Ich atme tief die kalte Luft ein und gehe ins Haus.
    Ich stehe wie ein Schatten in der Tür. Pete ist im Wohnzimmer, den Laptop hat er auf einen Stapel Bücher auf dem Couchtisch gestellt. Er trägt die Lesebrille, die ich ihm vor einem Jahr oder so gekauft habe. Noch ein Beweis dafür, dass wir älter werden. Ein paar Sekunden lang nimmt er mich überhaupt nicht wahr, blättert in den Unterlagen neben sich, während ich die Locken auf seinem Hinterkopf anstarre. Sie lassen mich an kühle Sommernächte im Biergarten eines Pubs in London denken. An Gespräche über die Kinder, die wir einmal haben würden. Er wollte, dass sie meine Lippen und mein rotes Haar haben und ich, dass sie seine haselnussbraunen Augen und seine langen Wimpern bekommen. An Nächte, in denen er nach einer meiner Hände gegriffen und sie zwischen seine genommen und mir gesagt hat, dass er mich liebt – bis zum Mond und zurück – und ich ihm geglaubt habe. Nächte, in denen wir über Lieblingsnamen nachgedacht haben: Rose, oder vielleicht Eva; Dylan, Matthew oder Jack. Wir waren so glücklich damals.
    Er runzelt die Stirn über den Unterlagen. Diagramme mit schwarzen Linien, die zu Spitzen emporschießen und in Täler hinabfallen. Dann sieht er mich in der Tür stehen, als er über seine Brille auf den Bildschirm guckt, und atmet hörbar ein.
    »Hast du mich erschreckt.« Er bemerkt das T-Shirt und die Flipflops. »Du bist gestern Abend nicht nach Hause gekommen. Alles klar?«
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll, deshalb sage ich gar nichts. Sehe ihn einfach weiter an. Mir ist, als würden Vögel in meiner Brust mit ihren kleinen Flügeln schlagen.
    »Grace?«
    Ich stelle meine Tasche auf den Boden.
    »Wo warst du?«
    Ich atme tief durch, versuche, mich zu beruhigen. Ich weiß nicht, warum es so schwer ist, mit seinem eigenen Mann zu reden.
    »Ich war bei Marjory. Ich habe bei ihr übernachtet.« Ich klinge wie ein Teenager.
    »Okay.«
    Wir starren uns an wie Fremde. Ich gehe auf die Couch zu und setze mich ein paar Zentimeter von ihm entfernt. »Ich musste gerade an die Approach Tavern denken.«, sage ich leise. »Den Pub. Erinnerst du dich?«
    »Natürlich erinnere ich mich.« Ich sehe, wie sich sein Gesicht entspannt.
    »Man konnte draußen sitzen, weißt du noch? Und die fantastischen Nachos.«
    »Und London Pride vom Fass.«
    »Ja.«
    Er schiebt den Couchtisch fort und seufzt.
    »Ich bin immer noch wütend auf dich, Pete.«
    »Das ist nur fair.« Seine Stimme ist belegt vor Reue.
    »Es macht mich krank, mir dich mit einer anderen Frau vorzustellen. Ich ertrage den Gedanken kaum.«
    »Es tut mir so leid, Grace. Ich kann dir nicht sagen, wie leid es mir tut.«
    Als er in mein Gesicht sieht, wird mir klar, wie lange es her ist, dass ich ihn wirklich angesehen habe. Die Farbe seiner Augen, den Schwung seiner Lippen. Er hat sich heute nicht rasiert; die Stoppeln werfen Schatten auf sein Kinn. Seine Augen sind weit geöffnet, und nach all den Jahren, die wir uns nun kennen, weiß ich, dass er die Wahrheit sagt.
    Ich atme tief durch. »War es … sicher? Ich meine …«
    Er runzelt die Stirn und nickt, versteht, was ich

Weitere Kostenlose Bücher