Der Duft
nichts«, sagte sie, doch sie wusste, dass ihrem Vater der Stimmungswandel nicht entgangen
war. Sie ließ sich zu seinem Auto führen. Vor dem Flughafengebäude blies ihr feuchter Novemberwind ins Gesicht. Ein herrliches
Gefühl nach all der Dürre. Während der Fahrt nach Hause war sie schweigsam. Ihr Vater bohrte zum Glück nicht weiter nach.
»Heute Nacht schläfst du bei uns«, entschied er nur. »Und dann machst du erst mal ein paar Wochen Urlaub.« Marie widersprach
nicht.
Irene hatte wieder eine gigantische Kaffeetafel vorbereitet, doch Marie stocherte nur appetitlos in ihrem Tortenstück herum.
Lange hielt ihr Vater das Schweigen nicht aus. »Nun mal raus mit der Sprache«, sagte er, Irenes vorwurfsvollen Blick ignorierend.
»Was hast du? Sind es nur die Strapazen der letzten Tage, oder ist da noch mehr?«
Marie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. »Kann ich mal telefonieren?«, fragte sie. »Ich habe in Afrika mein Handy
verloren.«
Jetzt blickte ihr Vater vorwurfsvoll. »Soweit kommt es noch, dass meine Tochter mich um Erlaubnis fragen muss, wenn sie telefonieren
will!«
Marie rief im Londoner Büro an. Chrissie vom Empfang war begeistert, ihre Stimme zu hören. »Wir haben uns alle solche Sorgen
gemacht«, sagte sie und stellte Marie direkt zu Will Bittner durch. Der bat sie, so schnell wie möglich zu ihm zu kommen –
es gebe wichtige Dinge zu besprechen. Doch Marie beschäftigten andere Fragen. »Hat sich Rafael schon gemeldet?«
»Nein. Ich dachte, ihr wärt zusammen gekommen?«
»Ich war allein in Riad. Er ist von Khartum aus nach Deutschland geflogen. Er sollte eigentlich längst zurück sein.«
|374| »Keine Ahnung. Wir haben hier jedenfalls noch nichts von ihm gehört.«
Marie erschrak. Sie ließ sich Rafaels Berliner Privatnummer geben, doch auch dort meldete sich niemand.
Nun konnte sie sich den nagenden Zweifeln in ihrem Kopf nicht länger verschließen. Die Stimme hatte recht: Irgendetwas stimmte
nicht. Etwas stimmte ganz und gar nicht.
Sie sah kurz auf die Uhr, dann wählte sie eine weitere Nummer.
»Büro des Assistenten des Präsidenten in Nationalen Sicherheitsfragen?«, meldete sich eine Frauenstimme auf Englisch.
»Mein Name ist Marie Escher. Ich möchte gern Mr. Corline sprechen.«
»Worum geht es bitte?«
»Das kann ich nur ihm persönlich sagen.«
»Es tut mir leid, Mr. Corline ist in einer Besprechung. Wenn Sie mir ihre Nummer geben und mir sagen, worum es geht, wird
er sich bei Ihnen melden.«
»Hören Sie, es ist wirklich wichtig. Es geht um die Friedenskonferenz. Um den Anschlag. Ich habe wichtige Informationen dazu
für Mr. Corline.«
Einen Augenblick Pause. »Moment bitte.«
»Jack Corline?«
»Hier ist Marie Escher. Mr. Corline … Jack … entschuldigen Sie, wenn ich störe …«
»Sie stören ganz und gar nicht, Marie. Was kann ich für Sie tun?«
»Mir ist etwas eingefallen. Eine Ungereimtheit. Der Anschlag in Bagdad, mit dem Pheromon … ich glaube nicht, dass Nariv Ondomar
dahintersteckt.«
»Was? Warum nicht?«
»Er hat als Kind seine kleine Schwester verloren, durch |375| eine russische Streubombe. Das ist der Grund, weshalb er Terrorist geworden ist. Mr. Harrisburg hat mir erzählt, bei dem Anschlag
in Bagdad wären vierzehn Kinder ums Leben gekommen. Ich … ich kenne natürlich Ondomar nicht wirklich, aber ich bin sicher,
er hätte das Pheromon niemals eingesetzt, um kleine Kinder zu töten! Das … das passt einfach nicht zu ihm!«
Corline schwieg einen Moment. »Aber wer hätte das sonst tun sollen?«, fragte er schließlich.
»Das weiß ich nicht. Es muss noch jemand anderen geben, der Zugriff auf das Pheromon hat. Vielleicht … vielleicht hatte dieser
Jemand auch bei dem Anschlag auf das Hotel die Hand im Spiel.«
»Marie, ich glaube, Sie irren sich«, sagte Corline. »Terroristen ist es egal, wer bei ihren Anschlägen ums Leben kommt, Hauptsache,
sie erreichen ihre schändlichen Ziele. Dieser Ondomar hat Sie vielleicht beeindruckt – Sie haben ihn ja als charismatischen
Menschen beschrieben – aber Sie können sicher sein, dass er absolut skrupellos ist.«
»Vielleicht … haben Sie recht.«
»Ganz bestimmt. Aber ich werde Ihren Hinweis trotzdem ernstnehmen und die CIA bitten, auch diese Möglichkeit zu prüfen. Wenn
es noch jemanden gibt, der Zugriff auf das Pheromon hat, dann werden wir ihn ausfindig machen.«
»Danke, Jack.«
»Ich danke Ihnen für den Anruf, Marie. Kann ich
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