Der Duft
erreicht: Sie haben einen historischen Durchbruch verhindert, der hier und heute möglich
wäre. Wir können aber auch ein Zeichen setzen. Gerade jetzt, nachdem wir gesehen haben, wie sinnlos Gewalt ist und wie schnell
sie aufflammen kann, können wir aufeinander zugehen. Wir können diesen Augenblick der Scham und der Selbsterkenntnis nutzen,
um uns in Demut voreinander zu verbeugen und unsere Differenzen auf friedlichem Wege beizulegen.«
Er machte eine kurze Pause und war sich plötzlich der Stille bewusst, die im Raum herrschte. Nur das Heulen des Wüstenwinds,
der durch die zersplitterte Weltkugel fuhr, war zu hören. »Vielleicht war es Allah oder Krishna oder Jahwe oder wie immer
Sie ihn nennen mögen, der uns heute ein Zeichen sandte. Vielleicht waren die Terroristen nur Werkzeuge Seiner Macht. Vielleicht
wollte der eine Gott mit den vielen Namen uns zeigen, dass es unsere heilige Pflicht ist, uns zu versöhnen und Frieden zu
stiften. Ich bitte Sie alle, auf ihn zu hören!«
Karim sah sich um und blickte in schweigende Gesichter, |366| die zu ihm aufsahen. Er wusste nicht, was er noch weiter sagen sollte. War er zu weit gegangen? Waren Juden, Moslems, Hindus
und Christen empört darüber, dass er es gewagt hatte, ihre Religionen als verschiedene Abbilder derselben Sache darzustellen?
Ihm war klar, dass er damit gegen die Gebote seiner eigenen Religion verstoßen hatte, die ebenso wie die anderen Weltreligionen
Anspruch auf die absolute Wahrheit erhob. Hatte er am Ende die Chance zerstört, die diesem Moment innewohnte?
Es war Präsident Zinger, der die Stille brach, indem er in die Hände klatschte. Ein Staatsoberhaupt nach dem anderen schloss
sich ihm an, bis der ganze Raum von anhaltendem Applaus erfüllt war.
Karim stieg vom Tisch. Er hatte getan, was er konnte. Alles Weitere musste Allah richten, oder wie immer er tatsächlich hieß.
Er spürte eine Hand auf seiner Schulter und fuhr herum. Der Ministerpräsident Indiens stand vor ihm. Er lächelte. »Ich kann
mich nicht genau erinnern, aber ich glaube, ich habe Sie angegriffen«, sagte er. »Bitte nehmen Sie meine Entschuldigung an.«
Karim packte die ausgestreckte Hand. »Es gibt nichts, wofür sie sich entschuldigen müssen«, sagte er. Dann umarmten sie sich
– der Ministerpräsident des Landes mit der zweitgrößten Bevölkerung der Erde und der junge Emir eines Inselstaats, von dem
kaum jemand je etwas gehört hatte.
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|367| 47.
Marie kannte den Mann, der jetzt ihr Zimmer betrat, aus dem Fernsehen. Er hatte sehr dünnes, rotes Haar, eine ungewöhnlich
hohe Stirn und blasse Augen, die wachsam und klug wirkten. Er kam direkt auf sie zu und reichte ihr die Hand. »Ich bin Jack
Corline, der Sicherheitsberater von Präsident Zinger«, sagte er. »Im Namen des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika
und aller Konferenzteilnehmer möchte ich mich bei Ihnen für Ihren mutigen Einsatz bedanken!«
Marie, die vor fünf Minuten einen Anruf von Jim Cricket bekommen hatte, war verzweifelt ins Badezimmer gestürzt, um sich wenigstens
ein bisschen für diese Begegnung zurechtzumachen, aber es hatte wenig genützt. Sie sah immer noch aus, als sei sie kürzlich
von einem Bus angefahren worden.
»Sie haben nicht nur dem amerikanischen Volk, sie haben der ganzen Menschheit einen großen Dienst erwiesen!«, fuhr Corline
fort. »Mr. Cricket hat mir berichtet, es hätte ohne Ihre Warnung wahrscheinlich ein unvorstellbares Blutbad gegeben. Nur Ihnen
ist es zu verdanken, dass er auf der Konferenzetage ausschließlich weibliches Sicherheitspersonal eingesetzt hat. Sie haben
dem Präsidenten wohl das Leben gerettet. Und nicht nur ihm! Die wichtigsten Staatsoberhäupter der Welt waren dort oben versammelt.
Kaum auszudenken, was passiert wäre, wenn sie alle ermordet worden wären. Das hätte der Auslöser eines flächendeckenden Krieges
im arabischen Raum sein können. Nur Ihr Mut und Ihre Tapferkeit haben eine Katastrophe verhindert, bei der vielleicht Millionen
Menschen gestorben wären!«
|368| Marie wusste nicht, was sie sagen sollte. »Ich … ich war es nicht allein«, stammelte sie schließlich.
Der Sicherheitsberater nickte. »Ich weiß. Auch Ihrem jungen Kollegen gilt natürlich unser ganz besonderer Dank. Mrs. Escher,
wenn es irgendetwas gibt, das ich für Sie tun kann, dann sagen Sie es. Wenn Sie zum Beispiel die amerikanische Staatsbürgerschaft
annehmen möchten oder eine Greencard
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