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Der Duft

Titel: Der Duft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sogar wegen seines Alters. Seine Erfahrung, seine Umgangsformen, seine Gelassenheit gaben ihr
     ein Gefühl der Geborgenheit.
    Sie versuchte, diesen Gedanken zu verdrängen. Sie konnte es sich nicht leisten, dass ihre Urteilskraft von unprofessionellen
     Gefühlen beeinträchtigt wurde.

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    |80| 8.
    Die Fahrt war überraschend schnell zu Ende, obwohl sie kein Wort mehr gesprochen hatten. Scorpa stieg aus, lief um den Wagen
     und öffnete ihr die Tür. Marie hatte Schwierigkeiten, aus dem niedrigen, schalenförmigen Ledersitz hochzukommen. Er ergriff
     ihren Arm sanft, aber fest und half ihr empor. Ihre Knie fühlten sich weich an, und so war sie froh, als er sie stützte.
    Scorpa führte sie zur Rezeption. Sie nannte ihre Zimmernummer und nahm die Chipkarte in Empfang. Die geräumige Lobby begann
     sich um Marie zu drehen, und ein Gefühl der Übelkeit überkam sie. Jetzt bloß nicht hier in die Lobby kotzen!
    Scorpa führte sie zum Fahrstuhl. Unter dem süßlichen Duft seines Aftershaves nahm Marie das dezente, salzige Aroma seines
     Körpers wahr, das Kraft und Männlichkeit vermittelte. Ohne sich dessen voll bewusst zu werden, lehnte sie sich etwas enger
     an ihn.
    Als sie ihr Zimmer erreichten, hatte Marie trotz ihres angetrunkenen Zustands das Gefühl, buchstäblich an einer Schwelle zu
     stehen. Scorpa betrachtete sie mit seinen dunklen Augen, in denen Selbstbewusstsein und Stärke lagen. Ein warmes Drängen breitete
     sich in ihrem Bauch aus, und ihr wurde plötzlich bewusst, dass sie schon seit Wochen keinen Sex mehr gehabt hatte. Sie hatte
     noch nie mit jemandem in Scorpas Alter geschlafen. Er wäre sicher ein hervorragender, erfahrener Liebhaber. Er …
    »Marie«, sagte Scorpa. »Ich weiß, ich sollte das nicht sagen. Sie müssen Ihre professionelle Distanz wahren. Aber dieser Abend
     … Sie haben irgendetwas mit mir angestellt …« |81| Er beugte sich vor. Sie spürte seinen Atem an ihrem Hals, roch das Aroma des Rotweins, das sich mit seiner männlichen Aura
     vermischte.
    Ihr ganzer Körper sehnte sich nach seiner Berührung. Sie konnte sich ihm hingeben, hier und jetzt. Niemand würde davon erfahren.
     Sie wollte es. Sie brauchte es.
    Nein! Panik keimte in ihr auf und verjagte die Lust. Sie durfte nicht die Kontrolle verlieren! Auf keinen Fall die Kontrolle
     verlieren! Niemals!
     
    Das kleine Mädchen schreckt aus dem Schlaf. Im blassgrünen Schein des Nachtlichts sieht sie eine Gestalt in ihrem Zimmer stehen,
     bleich wie ein Gespenst. Ihr langes, dunkles Haar ist zerzaust, ihre Augen sind groß. Sie trägt ein langes Nachthemd.
    Das kleine, pochende Herz beruhigt sich allmählich. »Mami! Ist es denn schon Zeit zum Aufstehen?«
    Die Mutter antwortet nicht. Sie steht nur da, im Halbdunkel, und starrt das Mädchen an. Jetzt sieht es, dass seine Mutter
     zittert. »Was … was hast du denn, Mami?«
    Die Mutter antwortet nicht. Sie kommt näher. Möchte sie kuscheln? Sie kniet sich hin, aber sie klettert nicht ins Bett zu
     dem Mädchen, um es in den Arm zu nehmen. Sie legt sich ganz flach auf den Bauch, und dann schiebt sie sich unter das Bett.
    Das Mädchen beobachtet sie, bis sie ganz verschwunden ist. Ist das ein neues Spiel? Aber ihre Mutter spielt sehr selten mit
     ihr, und noch nie hat sie so etwas mitten in der Nacht gemacht.
    »Mami?«
    Sie hört ein Schluchzen. Jetzt bekommt sie wieder Angst. »Mami? Was hast du denn, Mami?«
    »Er … er darf mich nicht finden«, flüstert sie. Es klingt merkwürdig, als bekäme sie nicht richtig Luft.
    |82|
»Wer denn?«
    »Papi«, flüstert die Mutter. »Du darfst ihm nicht sagen, dass ich hier bin, hörst du? Versprich es mir!«
    Das Mädchen verspricht es.
    Die Tür geht auf. Das Mädchen erschrickt. Schnell schließt sie die Augen.
    Jemand kommt herein. Sie hört die leisen Schritte, und sie nimmt einen vertrauten Geruch wahr.
    »Marie?«, flüstert ihr Vater.
    Sie kneift die Augen ganz fest zu. Er darf mich nicht finden, hat ihre Mutter gesagt. Sie möchte weinen, aber sie hat Angst,
     zu verraten, dass sie wach ist. Wenn ihr Vater sie fragt, wird sie ihn nicht anlügen können.
    Sie möchte nicht, dass ihre Mutter da unter dem Bett liegt. So etwas tun Erwachsene nicht. Und sie möchte auch nicht, dass
     ihr Vater hier ist. Vor allem will sie nicht, dass die beiden sich schon wieder streiten. Nicht jetzt, nicht hier in ihrem
     Zimmer. Sie möchte am liebsten allein sein.
    Ihr Vater geht wieder hinaus. Das Mädchen wartet darauf, dass seine

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