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Der Duft

Titel: Der Duft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Mutter unter dem Bett hervorkriecht. Sie wartet sehr lange.
     Irgendwann ist sie eingeschlafen.
    Als sie am nächsten Morgen erwacht, ist ihre Mutter fort.
     
    »Nein!« Marie stieß Scorpa heftig gegen die Brust.
    Er taumelte rückwärts und sah sie überrascht an. »Marie, ich … ich dachte …«
    Ihr Herz pochte wild. »Verschwinden Sie!«, rief sie. Panisch hantierte sie mit der elektronischen Schlüsselkarte am Schloss
     herum. Endlich ertönte der Piepton, und die Tür ging auf.
    Scorpa machte einen Schritt auf sie zu. »Marie, bitte verzeihen Sie, wenn ich …«
    Sie stürzte ins Zimmer und schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Zitternd stand sie da, mit dem Rücken gegen die |83| Tür gelehnt. Ihr ganzer Körper war angespannt. Schweiß perlte auf ihrer Stirn.
    Nur langsam ging die Panikattacke vorüber. Einen solchen Ausbruch hatte sie seit Jahren nicht mehr gehabt. Scorpa musste sie
     für vollkommen hysterisch halten.
    Sie hatte geglaubt, sich unter Kontrolle zu haben. Der Stress der letzten Zeit musste dazu geführt haben, dass ihre Selbstbeherrschung
     brüchig geworden war. Und dann noch der Alkohol …
    Sie war wütend auf Scorpa, der sie in diese Lage gebracht hatte, obwohl sie genau wusste, dass es nicht seine Schuld war.
     Noch wütender war sie auf sich selbst, auf ihre Schwäche. Sie hatte sich von der Angst überwältigen lassen, obwohl sie sich
     geschworen hatte, dass das nie wieder geschehen würde.
    Sie ging ins Bett. Noch lange lag sie da, den Kopf voll düsterer Gedanken von Scham und Schuld. Irgendwann erlöste sie ein
     tiefer, traumloser Schlaf.
     
    Sie erwachte mit Kopfschmerzen und einem pelzigen Geschmack im Mund. Vorsichtig setzte sie sich auf, um das Pulsieren in ihrem
     Schädel nicht noch zu verstärken. Schlagartig kehrte die Erinnerung zurück und mit ihr das Gefühl der Scham. Wie hatte ein
     so schöner Abend in einer derartigen Katastrophe enden können?
    Übelkeit stieg in ihr auf. Sie schwankte ins Bad und übergab sich. Danach wurde ihr Kopf etwas klarer, aber ihr unmögliches
     Benehmen trat ihr dafür umso stärker ins Bewusstsein. Sie wusste nicht, wie sie Scorpa je wieder unter die Augen treten sollte.
    Sie sah auf die Uhr. Halb elf. Verdammt! Sie sollte längst bei ihren Kollegen sein. Sie duschte kurz, zog sich frische Kleidung
     an und versuchte, Müdigkeit und Verzweiflung aus ihrem Gesicht zu schminken.
    |84| Sie nahm ein Taxi zum Firmengelände. Sie spürte ein leichtes Zittern, als sie den Flur betrat, an dessen Ende der Teamraum
     lag – nicht weit von Scorpas Büro. Ihr wurde schwindelig, und sie musste sich gegen eine Wand lehnen. Sie schwor sich, nie
     wieder mehr als ein Glas Wein zu trinken.
    Eine Bürotür wurde geöffnet, und Judith Meerbusch, Scorpas Sekretärin, kam heraus, einen Stapel Papier in der Hand. Als sie
     Marie sah, machte sie ein besorgtes Gesicht. »Oh, hallo Frau Escher. Ist Ihnen nicht gut?«
    »Schon okay, geht wieder.« Sie versuchte zu lächeln, aber ihre Gesichtsmuskeln waren genauso übermüdet wie sie selbst. »Ist
     … ist Dr. Scorpa da?«
    Meerbusch schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Er hat einen Termin in Frankfurt. Soll ich versuchen, ihn auf dem Handy zu erreichen?«
    Marie verkniff sich ein erleichtertes Ausatmen. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nein, nicht nötig.«
    Meerbusch wandte sich ab, als plötzlich laute Stimmen vom Ende des Flurs zu hören waren. Es klang, als sei im Teamraum ein
     heftiger Streit im Gange.
    »Was ist denn da los?«, fragte die Sekretärin.
    Marie antwortete nicht. Sie ging mit raschen Schritten den Flur entlang. Meerbusch blieb in der Tür ihres Büros stehen und
     sah ihr nach.
    Auf halbem Weg hörte sie erneut ein wütendes Brüllen. Ein weiterer Schrei, dann ein dumpfes Poltern.
    »Mein Gott!«, rief Meerbusch. »Was machen die denn da!« Marie hörte das Trippeln ihrer Schuhe hinter sich.
    Sie öffnete die Tür zum Teamraum und blieb abrupt stehen. Ihr noch immer etwas verzögert funktionierender Verstand brauchte
     einige Sekunden, um zu verarbeiten, was sie sah: Konstantin stand in der Mitte des Raums neben Ricos Arbeitstisch. Er hielt
     eine leere Glaskaraffe in der |85| Hand, die rot beschmiert war. Seine Augen waren weit aufgerissen, und seine Brust hob und senkte sich schnell, als habe er
     einen Sprint hinter sich.
    Neben ihm lag Rico mit dem Oberkörper auf dem Schreibtisch. Sein Haar war blutverklebt. Ein dickes, rotes Rinnsal lief ihm
     über Stirn und Wange und tropfte auf

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