Der Duft
einen Moment unschlüssig im Raum, als wisse er nicht so genau, was er hier zu suchen habe.
|72| »Setzen Sie sich doch«, sagte Marie und deutete auf den kleinen Konferenztisch. Möchten Sie einen Kaffee?«
»Nein, vielen Dank.« Seine Stimme war ungewöhnlich hoch und so dünn wie sein blondes, kurzes Haar. »Ich habe leider nicht
viel Zeit. Ich fliege bereits morgen zurück. Ich muss Sie also bitten, sich kurzzufassen.«
Konstantin und Rico kamen ebenfalls an den Konferenztisch dazu. Marie wäre es lieber gewesen, sie wären an ihren Arbeitsplätzen
geblieben, von wo aus sie dem Gespräch ebenso gut hätten folgen können. So entstand eine Drei-zu-Eins-Situation, die Borg
sichtlich Unbehagen bereitete.
Marie warf Rico schnell noch einen warnenden Blick zu und setzte dann ihr wärmstes Lächeln auf. »Vielen Dank, dass Sie sich
die Zeit für uns nehmen, Dr. Borg. Wir haben den Auftrag, das Zukunftspotenzial von Olfana zu bewerten, und ich bin sicher,
Ihr Feldlabor spielt dabei eine wichtige Rolle. Es wäre also hilfreich, wenn Sie uns kurz beschrieben, woran genau Sie dort
arbeiten.«
»Nun, äh, wir testen Geruchsstoffe für die Schädlingsbekämpfung«, sagte Borg.
»Das wissen wir schon«, sagte Rico. »Aber warum brauchen Sie dafür ein Labor in Afrika? Man kann doch Ihre Duftstoffe ebenso
gut an Versuchstieren hier in Deutschland testen.«
Borg schwieg einen Moment. Marie holte tief Luft. »Dr. Borg, was uns interessiert, ist der Mehrwert Ihres Feldlabors für Olfana.
Ist es die Artenvielfalt der Region? Sind es die besseren Möglichkeiten, Freilandversuche zu machen?«
Borg nickte. »Ja. Das stimmt.«
»Also beides?«, hakte Konstantin nach.
Borg nickte wieder. Sie würden nicht viel aus ihm heraus bekommen, wenn sie ihn weiter ins Kreuzverhör nahmen. |73| Andererseits konnte Marie Konstantin und Rico jetzt schlecht aus dem Raum schicken.
»Wie viele Mitarbeiter arbeiten in dem Labor?«, fragte Rico. Es war eine gute Idee, konkrete Fragen zu stellen, die einfach
zu beantworten waren. So würde Borg vielleicht seine Scheu verlieren.
»Nur ich und meine beiden Assistenten, Krüger und Willems. Und natürlich unsere einheimischen Hilfskräfte.«
»Wie viele sind das?«
»Je nachdem. Zwei arbeiten fest in der Station, aber wenn wir einen Freilandversuch machen, dann engagieren wir manchmal weitere
Arbeiter.«
»Wie funktioniert das genau, so ein Freilandversuch?«, wollte Konstantin wissen.
»Wir bekommen die Basis dafür aus Deutschland geliefert. Den Duftstoff und eine erste Version des Trägermaterials. Dann bringen
wir das in der Fläche aus und messen die Wirkung auf die betreffende Spezies.« Borgs Angewohnheit, den Blicken seiner Gesprächspartner
auszuweichen, irritierte Marie zunehmend. Es weckte in ihr eine Mischung aus Mitleid und Abneigung.
»Wie genau messen Sie denn das?«, fragte Rico. »Beobachten Sie die Käfer mit der versteckten Kamera?«
Der Forscher schien wenig Sinn für Humor zu haben. In dem Blick, den er Rico zuwarf, lag Verachtung. »Natürlich nicht.«
»Wie denn dann?«
»Wir zählen sie. Wir vergleichen einfach die Zahl der Schädlinge vor und nach Ausbringen des Wirkstoffs, damit haben wir ein
Maß. Dann erstellen wir Zeitreihen, um zu sehen, wie schnell die Wirkung nachlässt.«
Marie nickte. Was Borg sagte, leuchtete ihr ein. Er nutzte die Gesetze der Statistik, um die Wirkung der Geruchsstoffe zu
messen. Die einzig vernünftige Vorgehensweise.
|74| »Und wenn Sie das Ergebnis haben? Was passiert dann?«, fragte Konstantin.
»Dann machen wir weitere Testreihen mit verschiedenen Varianten der Formel und unterschiedlichen Trägersubstanzen, bis wir
eine optimale Zusammensetzung finden.«
»Wie lange dauert das?«
Borg betrachtete seine Fingerspitzen, die er aneinandergepresst hielt. »Das kommt darauf an«, sagte er. »Meistens einige Monate.
Manchmal mehrere Jahre.«
»Seit wann gibt es das Labor?«, fragte Marie.
»Seit etwa vier Jahren.«
»Haben Sie denn dort überhaupt schon marktreife Produkte entwickelt?«, wollte Rico wissen.
Borg sah auf die Uhr. »Hören Sie, es ist schon spät, und ich muss noch einiges erledigen.«
»Würden Sie bitte die Frage beantworten!«, sagte Rico. Sein Tonfall war ruhig, aber die unterschwellige Drohung unüberhörbar.
So sehr Marie sich bisher über seine aggressive und voreingenommene Art geärgert hatte, in diesem Moment war es richtig, nachzubohren.
Borg warf ihm einen kurzen
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