Der Duke, der mich verführte
habe.“
„Unsinn“, beschied Justine und zog sie mit sich. „Radcliff hat recht. Wir sollten nicht länger herumtrödeln und darauf hoffen, dass niemand uns bemerkt. Beeilen wir uns.“
Sie eilten ihm durch die Menge der feinen Damen und Gentlemen nach, die sich nun – wie sollte es anders sein – allesamt nach ihnen umdrehten.
Am offenen Kutschenschlag stand Radcliff und wartete, eine behandschuhte Hand ausgestreckt, um ihnen in den Wagen zu helfen.
Justine ließ Matilda den Vortritt.
Gemeinsam mit dem Lakaien beförderte er Matilda ins Kutscheninnere. Sowie sie sich wohlbehalten niedergelassen hatte, wandte Radcliff sich zu Justine um, reichte ihr eine Hand und begegnete ihrem Blick.
Sie legte ihre Hand in seine und raffte ihre Röcke. Er schloss seine große Hand fest um ihre, als sie einen Fuß auf den Kutschentritt setzte und in den Wagen stieg. Seine Berührung, der warme, starke Händedruck, ging ihr durch und durch.
Justine presste die Lippen fest zusammen und ließ ihn los, sowie sie eingestiegen war. Erleichtert seufzend ließ sie sich neben Matilda sinken. Obwohl sie so bald wie möglich mit ihm über die unseligen Vorkommnisse des gestrigen Abends reden wollte, wäre nun wohl kaum der rechte Zeitpunkt dafür. Vielmehr dürfte es eine lange Kutschfahrt werden, die in unbehaglichem Schweigen zurückgelegt würde.
Radcliff hielt seinen Blick auf die vorbeiziehenden Häuser und die geschäftig einherschreitenden Fußgänger gerichtet. Es schien ihm das Beste zu sein, während der Fahrt kein weiteres Wort zu verlieren. Zumal seine Worte weder erwünscht waren noch vonnöten.
Matilda und Justine saßen ihm gegenüber, tuschelnd und kichernd. Soweit er das mitbekam, ging es in einem fort um Stoffe und Schnitte und darum, wie aufmerksam und höflich alle gewesen waren. Sehr interessant. Das musste ein Mann sich wirklich nicht antun.
Immer mal wieder drückte Matilda sichtlich zugetan Justines Hand oder tätschelte ihr das Knie. Und Justine? Sie tat genau dasselbe.
Er wagte seinen Augen kaum zu trauen. Ja, es schnürte ihm die Kehle zu, wenn er sah, wie glücklich Justine war, wie ihre sinnlichen Lippen sich zu einem Lächeln aufschwangen, wie sie Matilda anstrahlte, wie ihre Wangen sich röteten. Kein Zweifel: An Matildas Gesellschaft hatte seine Frau sichtlich mehr Freude, als sie jemals an der seinen gehabt hatte. Und wer konnte es ihr verdenken? Alles seine Schuld.
Als sie endlich bei Bradford House vorfuhren, half er den beiden Frauen schweigend aus dem Wagen. Er sah ihnen nach, wie sie Arm in Arm das Haus betraten. Langsam verhallten ihre angeregten Stimmen.
Er blieb allein am Wagen zurück und rührte sich nicht.
Der Lakai beäugte ihn verstohlen – sollte er ruhig sehen, dass alle Welt ihn verlassen hatte –, klappte dann den Kutschentritt hoch und schloss den Schlag.
Radcliff seufzte tief. Wahrscheinlich sollte er Justine Gelegenheit geben, Zeit mit ihrer neuen Freundin zu verbringen, statt sie mit seiner unerfreulichen Anwesenheit zu belästigen. Die beiden Frauen verstanden sich ja prächtig.
Er wandte sich an den Kutscher. „Bringen Sie mich ins Brooks’ . Mir ist nach einem guten Essen und einer Partie Karten.“
„Jawohl, Euer Gnaden.“
Der Lakai beeilte sich, den Kutschenschlag wieder zu öffnen und den Tritt herabzulassen.
Radcliff nickte ihm kurz zu und stieg ein. Eigentlich sollte er es gewohnt sein, allein zu sein. Er war schließlich lang genug allein gewesen. Doch noch nie in all den Jahren hatte er so darunter gelitten. Es war ein Schmerz, der ihn tief im Herzen, in tiefster Seele berührte. Und das, so wusste er wohl, lag an Justine.
18. Skandal
Die Liebe zeigt sich oft in unerwarteter Weise. Wer dies weiß, kann besser verstehen, dass Liebe niemals vollkommen ist. Sie ist, wie sie ist.
aus: Wie man einen Skandal vermeidet
Am Abend
I mmer wieder blickte Justine irritiert auf den leeren Platz bei Tisch und fragte sich, weshalb Radcliff nicht mit ihr und Matilda dinierte. Nun, da sie darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass sie ihn, seit sie heute Nachmittag zurückgekehrt waren, überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte.
„Justine?“
Jäh aus ihren Gedanken gerissen, sah sie Matilda an, die ihr gegenübersaß. „Ja?“
Matilda seufzte tief, legte Messer und Gabel beiseite und schaute sie sanft tadelnd an. „Sie vermissen ihn doch nicht etwa? Er hat sich noch nicht einmal für sein Verhalten gestern Abend entschuldigt.“
Justine wandte den
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