Der Duke, der mich verführte
seine Hand nur noch fester. „Wenn Sie sie aufschneiden, stirbt uns auch die Mutter.“
Ein weiterer Schrei gellte aus dem Bett zu ihnen.
Langsam zog Dr. Ludlow seine Hand zurück. „Wir müssen uns entscheiden, Euer Gnaden.“
„Nein!“, rief Justine über das leidvolle Stöhnen ihrer Freundin hinweg. „Das kommt gar nicht infrage. In Afrika brauchen die Frauen bei der Geburt auch keine Messer. Finden Sie eine andere Möglichkeit.“
Seufzend wandte Dr. Ludlow sich ab und kehrte zurück an seinen Instrumententisch, ließ das Skalpell leise scheppernd zurück aufs Tablett fallen. „Es dauert schon viel zu lange. Sie ist am Ende ihrer Kräfte. Mehr kann ich nicht für sie tun.“
„Dr. Ludlow“, beschwor Justine ihn. „Wenn Sie sie und das Kind retten, werde ich dafür sorgen, dass Sie einhundert Pfund extra erhalten. Einhundert Pfund. Extra.“
Der Arzt drehte sich um und sah sie lange an. Dann nickte er bedächtig.
Er ging an ihr vorbei und trat abermals an das Bett, wo Matilda noch immer angestrengt stöhnte und ächzte.
Entschlossen raffte Dr. Ludlow von Neuem das Bettlinnen und breitete es wie ein Zelt über Matildas Bauch und ihren aufgestellten Knien aus. „Dann wollen wir es noch einmal versuchen, Miss Thurlow“, meinte er und griff beherzt unter das Laken. „Anders geht es nicht. Sie müssen das Kind jetzt mit aller Kraft, die Sie noch haben, herauspressen.“
Justine kehrte an Matildas Seite zurück, setzte sich zu ihr aufs Bett und umschloss deren heiße, feuchte Hand mit ihrer. „Du schaffst das“, flüsterte sie ihr ins Ohr. „Ich weiß, dass du es schaffst. Komm, ich helfe dir. Und jetzt mit aller Kraft. Los, du schaffst das.“
„Nein. Nein, ich schaffe das nicht!“, heulte Matilda völlig entkräftet und schloss die Augen. „Justine“, wisperte sie. „Versprich mir, dass du das Kind aufziehst, wenn es überlebt. Versprich es mir. Wenn es ein Junge ist, soll er Radcliff heißen. Und wenn es ein Mädchen ist, nenne es Justine.“
Tränen schwammen Justine in den Augen, und sosehr sie sich auch bemühte, stark zu bleiben, verlor sie doch fast die Fassung. „Du stirbst nicht, Matilda“, erklärte sie resolut. „Weshalb ich dir auch nichts dergleichen versprechen werde.“
„Versage mir nicht diese letzte Bitte!“, schluchzte Matilda in heller Verzweiflung auf.
Tränen strömten Justine über die Wangen, ließen sie Matildas Hand noch fester drücken. Wie konnte es nur so enden? Wie nur?
„Justine!“, schrie Matilda.
„Gut, ich verspreche es“, flüsterte Justine. „Ich verspreche es dir.“
Wie sich zeigen sollte, war ein solches Versprechen völlig unnötig gewesen. Sowohl Matilda als auch ihr kleines Mädchen – wunderschön und mit rabenschwarzem Haar – überstanden die Geburt wohlbehalten. Allerdings war Matilda noch sehr schwach und war gleich darauf in einen tiefen Schlaf gesunken, aber der Arzt versicherte Justine, dass alles bestens sei und es keine Anzeichen für Komplikationen gebe.
Es sei ein Wunder, konnte Dr. Ludlow gar nicht oft genug betonen, ein wahres Wunder.
Obwohl die Bedienten Justine verschiedentlich hatten bewegen wollen, sich nun auch ein wenig auszuruhen, hatte sie wenigstens noch dabei helfen wollen, das Neugeborene zu baden.
Noch nie hatte sie so winzige Fingerchen und Zehen gesehen – zumindest nicht bei einem Menschen. Noch nie so zarte Haut gespürt. Glücklich lächelnd wickelte sie das gebadete Kind vorsichtig in frisches Linnen und nahm das kleine Bündel behutsam hoch. Sie barg den kleinen Kopf in ihren Armen, die noch immer schmerzten von den Schlägen, die Carlton ihr mit seinem Stock versetzt hatte – doch wie lange schien das nun her! Sie lächelte unter Tränen und aller Schmerz war vergessen. Sie konnte es kaum noch erwarten, selbst ein Kind zu haben.
Henri schnalzte tadelnd mit der Zunge, strich sich die blonden Locken aus der Stirn und eilte mit ausgestreckten Armen herbei. „Wenn Sie gestatten, Euer Gnaden. Ich habe in meinem Leben schon viele, viele Babys gehalten, und Sie sollten sich jetzt wirklich ein wenig Erholung gönnen.“
Justine küsste den kleinen flaumigen Kopf einige Male, ehe sie sich losreißen konnte und das Kind seufzend Henri reichte, der es vorsichtig entgegennahm. „Wo ist Euer Gnaden?“, fragte sie.
Henri wiegte das Kind in den Armen. „Draußen vor der Tür“, meinte er und hob eine Braue. „Wo er schon die ganze Zeit gewesen ist.“
„Danke“, sagte Justine über die Schulter,
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