Der Dunkelheit versprochen: Guardians of Eternity 8 - Roman (German Edition)
Marmorgewölbe zu würdigen, das ihn umgab, oder den mit Mosaikfliesen ausgestatteten Fußboden. Oder auch die lastende Stille, die die uralte Luft erfüllte, welche nur durch die geschäftig vorbeieilenden Bediensteten in Bewegung versetzt wurde.
Er zitterte am ganzen Körper nach dem unangenehmen Erlebnis, durch den Schleier gezerrt zu werden.
Dios.
Einige Sekunden lang hatte er befürchtet, tatsächlich entzweigerissen zu werden, als er für einen kurzen Augenblick zwischen zwei getrennten Welten geschwebt hatte. Und dann hatte er das schmerzhafte Kribbeln von Elektrizität verspürt, wodurch er beinahe gehäutet worden war.
Es hatte weniger als ein paar Sekunden angedauert, doch das hatte ausgereicht, um ihn davon zu überzeugen, dass es sich hier nicht um den normalen Übergang handeln konnte. Wer zum Teufel würde je an diesen Ort reisen, wenn er dabei Gefahr lief, ausgeweidet zu werden?
Er stieß sich von der goldgeäderten Marmorwand ab, die ihn gestützt hatte, und funkelte zornig die Frau an, die in der Mitte des Ganges stand.
»Das habt Ihr mit Absicht getan«, knurrte er, so verärgert über den Anblick ihrer Perfektion wie über die anhaltende Schwäche in seinen Knien.
Das rabenschwarze Haar wallte glatt über ihren Rücken und umrahmte ihr edles Gesicht, das einen gelassenen, ungemein kühlen Ausdruck trug. Ihre Gewänder wiesen keine einzige Knitterfalte auf, auch war kein Staubkörnchen darauf zu erkennen. Und ihre schlanke Hand war ärgerlich ruhig, als sie damit über das große Medaillon strich, das direkt über ihrem nicht schlagenden Herzen hing.
Noch schlimmer war allerdings die Tatsache, dass in den dunklen Augen, die ihn mit gespielter Unschuld betrachteten, ein Anflug von Amüsement sichtbar wurde.
»Was tat ich?«
»Ihr habt mich durch den Schleier gezerrt, als sei ich eine Klette, die Ihr loszuwerden hofftet«, fauchte er und griff instinktiv mit der Hand nach seinem Schwert, um sich zu vergewissern, dass es sicher in seiner Scheide verstaut war, die er sich auf den Rücken geschnallt hatte.
Sie zuckte mit der Schulter. »Ihr befandet Euch nicht in Gefahr, das versichere ich Euch.«
»Ich befand mich nicht in Gefahr? Ich wäre beinahe gebraten worden!«
Ihre dunklen Brauen hoben sich, als seine Worte auf unheimliche Weise von dem Wald aus Säulen zurückgeworfen wurden.
»Ist denn noch etwas anderes verletzt außer Eurem Stolz?«
»Seid Ihr ernsthaft besorgt?«
»Ich betrachte das als ein Nein.«
Mit einem leisen Lächeln schritt sie auf die nächste Türöffnung zu und den langen Korridor entlang. Santiago, noch immer vor Wut schäumend, folgte ihr auf den Fersen und bemerkte kaum die Vampire, die gelegentlich zwischen den Säulen auftauchten, oder auch die Eingänge, die zu Bibliotheken, Vorzimmern und einem Dutzend anderer Räume führten, an denen sie rasch vorbeieilten.
Er hatte Gerüchte über die Dinge gehört, die sich angeblich hinter dem Schleier befanden.
Herrliche Gebäude, die von den besten Künstlerinnen und Künstlern errichtet worden waren und alle von unaufhörlicher Nacht umgeben waren. Eine endlose Landschaft, die nicht von Menschen beeinträchtigt wurde. Oder auch von Dämonen. Gärten, in denen Blumen blühten, die keiner Sonne bedurften.
Und zweifelsohne bestanden die Straßen aus Gold, und die Flüsse führten Milch und Honig, spottete er insgeheim.
Ein regelrechter Garten Eden.
Ohne die Schlange.
Oder?
Die gleichen Gerüchte, die er hinsichtlich der Schönheit dieser Welt gehört hatte, deuteten auch an, dass die Vampire, obgleich sie in Frieden lebten, uralte Kräfte behalten hatten, welche seine Brüder nicht mehr besaßen.
Sie konnten ihre Gestalt wandeln, durch den Nebel wan dern … Geringere Vampire einer Gedankenkontrolle unterziehen.
Und nun war womöglich einer von ihnen entschlossen, die Hölle auf seine Welt loszulassen.
»Ihr seid erschreckend still«, unterbrach Nefri schließlich das Schweigen und blieb stehen, um ihn mit offenkundigem Argwohn anzublicken.
Er setzte ein humorloses Lächeln auf. »Ich nehme nur den wunderbaren Anblick von Shangri-La in Augenschein.«
»Dies ist meine Heimat, kein erfundenes Paradies.«
Santiago verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Heimat? Es fühlte sich wie ein Mausoleum an.
»Ihr hegt wirklich eine Vorliebe für Marmor, nicht wahr?«
Sie reckte stolz das Kinn vor. »Ich erfreue mich gerne an schönen Dingen.«
Santiago trat auf sie zu und war sonderbar verärgert, als er sie dort
Weitere Kostenlose Bücher