Der Dunkle Code
herab und gab deutlich zu verstehen, dass ein halbwüchsiger Skandinavier nicht unbedingt Signor Morettis Vorstellungen von einem guten Kunden entsprach. Aaro bedankte sich, ging und öffnete im Haus nebenan die Mahagonitür, neben der auf einem Messingschild stand: MORETTI IMMOBILIARIA.
Das Büro war geschlossen, die innere Glastür zu. An der Tür hing allerdings ein Zettel mit einer Handynummer. Aaro rief sofort an, versuchte seine Stimme tiefer zu stellen und sagte, als sich Moretti meldete: »Buongiorno, Signor Moretti. Ich rufe im Namen eines schwedischen Kunden aus Stockholm an. Er sucht eine Unterkunft in Faleria oder Umgebung. Ein Haus mit Keller.«
»Mit Keller? Die meisten Häuser in Faleria sind direkt auf den Felsen gebaut, hier werden keine Keller gesprengt. Warum muss es einen Keller haben?«
Aaro überlegte eine halbe Sekunde. »Für eine Dunkelkammer. Mein Kunde ist Fotograf und zum Entwickeln der Bilder braucht er eine Dunkelkammer.«
»Ich dachte, alle sind längst auf Digitalaufnahmen umgestiegen …«
»Absolut nicht«, sagte Aaro. Sein Vater zum Beispiel nicht, der alles mochte, was mechanisch und antik und »von hoher Qualität« war.
»Um diese Jahreszeit ist das Mietangebot knapp, ich glaube nicht, dass ich etwas vermitteln kann. Zwei Häuser wären allerdings zu verkaufen«, sagte der Makler. »Das heißt, eines davon ist gerade vermietet, eine attraktive Villa, etwas abseits gelegen. Die Villa Mariluce. Die hat übrigens auch einen Keller. Der Mietvertrag läuft bald aus, und zwar, einen Moment, in drei Tagen.«
»Kann man …« Aaro vergaß, die Stimme zu senken, weshalb die Frage mit einem seltsamen Kieksen begann, das er sogleich mit einem Husten abbrach, um noch einmal neu anzusetzen: »Kann man sich das Haus ansehen?«
»Naturalmente. Aber ich dachte, Sie rufen aus dem Ausland an …«
Der Einwand brachte Aaro kurz aus dem Konzept, aber dann sagte er: »Ein Freund von mir ist gerade in der Gegend unterwegs.«
»Bitten Sie ihn, dem derzeitigen Mieter, Signor Weymann, Grüße von Moretti zu bestellen. Und falls Sie sich für das Objekt interessieren sollten, wenden Sie sich einfach wieder an mich.«
Aaro notierte sich die Adresse der Villa Mariluce und den Namen Weymann. Besondere Hoffnungen hatte er trotzdem nicht.
Als er in die Trattoria Fenizia zurückkehrte, wartete ein Teller Spaghetti auf ihn, aber vor lauter Aufregung hatte er gar keinen Hunger mehr. Während er sich ohne Appetit das Essen in den Mund schob, erklärte er, es sei schon immer der Traum seiner Familie gewesen, ein Haus in Italien zu mieten, und jetzt habe er eines gefunden. Gerade habe er mit seinem Vater telefoniert, und der habe ihn ermuntert, sich die Villa einmal anzusehen. Sie liege nur zwei Kilometer außerhalb der Stadt, in Richtung Calcata, wo sie auf dem Rückweg ohnehin vorbeikämen.
Essi musterte ihn skeptisch über ihr Tiramisu hinweg und meinte nur: »Wir haben keine Zeit, Häuser zu besichtigen, wir müssen ein ganzes Stück fahren …«
Paolo unterbrach sie und zahlte mit großer Geste die Rechnung, während er sagte: »Senza dubbio! Natürlich haben wir Zeit, uns eine Villa anzuschauen. Mein Alfa bringt uns von hier aus in einer halben Stunde nach Rom! Andiamo, ragazzo! «
Die Villa lag im Tal zwischen Faleria und Calcata. Aaro registrierte, dass die Nachbarhäuser mehrere Hundert Meter weit weg standen. Das Haus umgab ein zwei Meter hoher Maschendrahtzaun, der mit Efeu zugewachsen war. An manchen Stellen hatten sich Wildschweine unter dem Zaun durchgebuddelt.
Hundert Meter nach der Villa kam am rechten Straßenrand ein kleiner Parkplatz. Dort fing ein Wanderweg an und eine gelbe Informationstafel des Nationalparks Valle de Treja stellte in verblassten Farbbildern die Fauna des Tals vor.
»Wie wäre es, wenn ihr hierbleibt und ich mir das Haus ansehe«, schlug Aaro vor. »Ihr könnt ja ein bisschen spazieren gehen, ich glaube nicht, dass ich lange brauchen werde.«
Schon wollte Widerspruch über Essis Lippen drängen, aber Paolo nahm einfach ihre Hand und führte sie auf den Wanderweg.
»Aber nicht länger als eine halbe Stunde«, rief Essi vom Weg zurück, der in einen grünen Blättertunnel führte.
Aaro ging im Laufschritt an der Straße entlang zur Einfahrt der Villa. Das verrostete, mit einem schmiedeeisernen Wappen verzierte Tor hatte wohl einmal mit elektrischer Fernbedienung funktioniert, aber jetzt hing es traurig und halb offen in den Angeln. Die Villa selbst war ocker
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