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Der Dunkle Code

Der Dunkle Code

Titel: Der Dunkle Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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gestrichen, allerdings war der Putz großflächig abgebröckelt. An den Fensterrahmen löste sich die Farbe, trotzdem wirkte das Haus alles in allem bewohnbar. Am Torpfosten stand in verschnörkelten, verblassten Buchstaben: VILLA MARILUCE.
    Aaro schlüpfte durch das halb offene Tor und versteckte sich rechts davon im dichten Gebüsch. Eichen, Buchen und Platanen verdeckten die Sicht auf die Haustür, vor der ein großer Audi-Kombi geparkt war. Aaro drängte sich im Gebüsch auf den Wagen zu, auch wenn die Dornen der wilden Rosen an seinen Kleidern hängen blieben und unerträglich stachen. Als er näher herangekommen war, stellte er fest, dass es sich bei dem silbernen Audi mit deutschem Kennzeichen um einen neuen A6 handelte.
    Plötzlich tauchte ein grauhaariger Mann an der Haustür auf und Aaro schreckte zurück. Konnte das Zufall sein? Faleria, Keller, Mann mit grauen Haaren …
    Aaro wischte die schweißnassen Hände an den Hosen ab. Der Mann hielt in jeder Hand einen Aluminiumkoffer. Er war über sechzig, hatte die Haare kurz geschnitten und trug eine Brille, die ihn wie ein Professor oder ein Chirurg aussehen ließ. Dem Aussehen nach hätte man ihn nicht für einen Kriminellen gehalten, aber vielleicht machten Kunsträuber ja so einen respektablen Eindruck, dachte Aaro. Der Mann verschwand wieder im Haus, aus dem nun laute Worte drangen.
    Das heimliche Herumschnüffeln auf einem Privatgelände ließ Aaros Herz schneller schlagen. Nun kam der Mann wieder auf die Eingangstreppe heraus, diesmal mit einem Handy am Ohr. Aaro verstand nicht, was der Grauhaarige sagte, es war aber anscheinend Italienisch. Gleichzeitig bemerkte er hinter der Balkontür im ersten Stock einen Mann mit schwarzem Haarschopf. Aaro meinte, in der Hand des Mannes etwas aus Metall aufblitzen zu sehen.
    Was sollte er tun? Es waren schon gut zehn Minuten vergangen und Aaro wusste, dass ihm bald Essi im Nacken sitzen würde. Zum Ausspionieren blieb keine Zeit, weshalb er beschloss, den Stier bei den Hörnern zu packen.
    Er schüttelte die schlimmsten Dornen und Zweige ab und zwängte sich durch das Gebüsch auf den mit gelben Steinen gepflasterten Hof. Sein Herz schlug von Sekunde zu Sekunde schneller.
    Der Grauhaarige erschrak, als er Aaro bemerkte. Er steckte sein Handy ein und nagelte den jugendlichen Ankömmling mit einem strengen Blick fest. Dabei rief er etwas auf Deutsch ins Haus hinein.
    Aaro versuchte, so etwas wie ein Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern und das Schlottern seiner Beine zu verbergen. Er ging geradewegs auf den Mann zu, aber der wusste den überraschenden Besuch allem Anschein nach überhaupt nicht zu schätzen.
     
    Im Fadenkreuz des Fernrohrvisiers war der halbwüchsige Junge, der auf das Haus zuging, groß und deutlich zu erkennen.
    Achim Woinowitsch stützte das Jagdgewehr auf ein Kissen, das er auf den Tisch gelegt hatte. Bis zur offenen Balkontür waren es zwei Meter.
    Achim legte den Finger locker auf den Abzug. Er behielt den Jungen sicherheitshalber im Visier. Ein Befehl zum Handeln würde vom Boss kaum kommen, jedenfalls noch nicht, aber man musste schon aus Prinzip auf alles gefasst sein.
    Der Junge blieb stehen.
     
    »Buongiorno« , sagte Aaro zu dem grauhaarigen Mann, dann fuhr er auf Englisch fort: »Ich glaube, ich habe mich verlaufen.«
    »Ausgerechnet hier?«, fragte der Mann äußerst unfreundlich. Sein Englisch hatte einen unüberhörbaren deutschen Akzent.
    »Ja. Ich bin den Wanderweg im Tal gegangen und dann stand ich plötzlich vor einem Zaun. Ein paar Meter weiter kam ein Loch, ich dachte, der Weg führt dort weiter – und jetzt bin ich hier. In welcher Richtung geht es denn nach Calcata?«
    Der Grauhaarige musterte ihn forschend. Die Geschichte, die sich Aaro ausgedacht hatte, passte überhaupt nicht zu der Richtung, aus der er gekommen war. Aaro schüttelte noch ein paar Dornen vom Ärmel und versuchte, weiterhin zu lächeln, obwohl ihn allmählich das Entsetzen packte. Der Mann hatte etwas Beängstigendes und Hartes an sich.
    »Geh zurück zur Straße. Rechts siehst du den Hügel von Calcata. Du kannst es gar nicht verfehlen.«
    »Aha. Entschuldigung. Sie haben eine tolle Villa. Kann man so etwas mieten? Mein Vater …«
    »Das weiß ich nicht. Auf Wiedersehen.«
    Der Mann machte auf dem Absatz kehrt und marschierte ins Haus. Die Tür ließ er halb offen stehen. Aaro ging rasch zum Tor und auf die Straße zurück, er hatte überhaupt keine Lust, auch nur eine Sekunde länger im Garten der

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