Der Dunkle Code
hob die Augenbrauen so weit, dass sie fast den Haaransatz berührten. »Was hast du dem da gerade erzählt? Dass du geheime Informationen über den Kunstraub besitzt? Findest du nicht, du solltest mal ein bisschen genauer überlegen, was du von dir gibst?«, schnaubte sie ungehalten.
»Ich war vielleicht ein bisschen voreilig«, gab Aaro zu. »Vergiss es. Und sag Frau Weckman nichts, sie …«
»Natürlich nicht. Gehen wir, mir gefällt es hier überhaupt nicht.«
Bis zum Abflug ihrer Maschine hatten sie noch gut vier Stunden. In dieser Stadt war das erschreckend wenig, auch wenn Paolo sie mit dem Auto nach Fiumicino bringen würde. Aaro fluchte innerlich. Er hätte hartnäckiger sein müssen und wenigstens von der Videoaufnahme erzählen sollen.
Aber er wollte niemandem etwas aufzwingen. Sollten sie doch ermitteln, wie sie wollten, wenn ihnen seine Hilfe nicht gut genug war.
Jetzt musste er nach Brüssel zurück. Und so, wie die Ermittlungen bis jetzt liefen, würden sie ihn vielleicht in einem Jahr als Zeuge vorladen, dachte er bitter.
Dietrich Gruber alias Hans-Martin Weymann saß gemeinsam mit Achim Woinowitsch im Audi auf dem Parkplatz des Bahnhofs Césano. Die Pendler, die mit dem Zug aus Rom gekommen waren, starteten ihre Wagen und gaben sich alle Mühe, das Beschleunigungsrennen in Richtung Via Cassia zu gewinnen, über die der Weg in die Vorortsiedlungen führte.
Achim trommelte mit seinen dicken Fingern so kräftig aufs Lenkrad, dass Dietrich ihm befahl aufzuhören.
»Ob die vielleicht noch mal kommen?«, meinte Achim säuerlich, schwieg aber, als er Lorenzo und Giuliano aus dem Bahnhof kommen sah. Die Männer trugen elegante Anzüge und Krawatten, sie unterschieden sich in keiner Weise von den anderen Pendlern. Lorenzo trug in der rechten Hand eine dicke Aktentasche. Ohne etwas zu sagen, öffneten die beiden die hinteren Türen des Audis und stiegen ein.
»Buongiorno« ,sagte Dietrich und lächelte den Männern durch den Rückspiegel zu. An den Gesichtern der Italiener war nichts abzulesen, was auf ein Gelingen der Operation hindeutete – oder auf ihr Scheitern. Achim war der Einzige, der seine Nerven nicht im Griff hatte. »Wie ist es gelaufen, Jungs?«, wollte er gleich wissen.
Lorenzo schmunzelte und öffnete das Zahlenschloss seiner Aktentasche. Er zog ein in schwarzes Plastik gehülltes Päckchen in der Form eines großen Wörterbuches heraus und gab es Dietrich.
Darin waren zwei Pakete Orchideenblütenblätter von je knapp einem halben Kilo. Dietrich machte sich nicht die Mühe, ihre Echtheit zu überprüfen; die Italiener konnten sich keine Tricks leisten, solange sie den Caravaggio nicht wiederbekommen hatten.
Dietrich Gruber gab Lorenzo und Giuliano das eine Paket zurück. Das war ihr vorab vereinbartes Honorar. Gruber sah nacheinander beiden in die Augen und nickte – ihr Anteil an der Operation war fast vorbei und er war zufrieden mit ihrer Arbeit. Weiterhin schweigend steckten die Männer die Ware in eine gewöhnliche Plastiktüte. Lorenzo griff hinter sich und nahm noch eine große Rolle aus dem Laderaum des Audis: Das in billiges braunes Packpapier gewickelte Gemälde würden sie gleich hochkant in einen Abfallbehälter am Bahnhof stecken. In drei Minuten fuhr auf Gleis zwei der Zug nach Trastevere ein. Innerhalb weniger Minuten wären sie in der Großstadt verschwunden und würden eine Stunde später mitteilen, wo sich das Bild befand, indem sie von einem Prepaid-Anschluss die Polizei anriefen.
Achim startete den Wagen, sobald die Italiener ausgestiegen waren. Nun stand der riskanteste Teil der Umtausch-Aktion bevor, das Treffen mit dem Pfarrer aus der Buchhaltung des Vatikans. Pater Sebastiano hatte ihnen die Informationen über das Sicherheitssystem im Museum gegeben. Sie würden ihn am Bahnhof des Vororts La Storta treffen, unweit von Rom. Als er auf die Via Cassia einbog, konnte Achim seine Neugier nicht zügeln: »Boss, wo haben die beiden eigentlich das Modellflugzeug in Empfang genommen?«
»Das war kein Modellflugzeug, Achim, sondern ein Miniaturhelikopter. Er wurde mit einer Kamera und einer digitalen Fernsteuerung gelenkt, pflückte das Päckchen von der Kuppel des Petersdoms und brachte es Lorenzo und Giuliano, die am Borgo Pio warteten. Sobald sie das Päckchen hatten, sprangen die Jungs auf eine Vespa und tauchten im Verkehr unter. Am Bahnhof Trastevere stiegen sie in den Zug um. Wie du aus ihrem Erscheinen vielleicht geschlossen hast, hat es bei der
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