Der dunkle Fluss
sich auf seine Augen. Seine Stimme wehte davon, dünn wie eine Rauchfahne.
»Ja«, sagte er. »Das glaube ich fest.«
SIEBEN
Z ehn Minuten später erschien die Polizei in der Tür. Robin wirkte bedrückt, während der andere Polizist sich abgezirkelt und eifrig bewegte. Er war groß und rundschultrig, etwas über fünfzig, trug verblichene Jeans und eine rote Jacke. Braunes Haar lag dünn über der schmalen Stirn und der scharfgeschnittenen Nase. Ein Dienstabzeichen hing an seinem Gürtel, und kleine runde Brillengläser blitzten vor verwaschenen Augen.
»Können wir uns draußen unterhalten?«, fragte Robin.
Dolf richtete sich auf, sagte aber nichts. Ich erhob mich und folgte den beiden nach draußen. Jamie war nirgends zu sehen. Der andere Cop streckte die Hand aus. »Ich bin Detective Grantham«, sagte er. Wir wechselten einen Händedruck. »Ich gehöre zum Sheriff's Office, also lassen Sie sich von meiner Kleidung nicht täuschen.«
Sein Lächeln wurde breiter, doch ich hütete mich, ihm zu vertrauen. Heute Nacht konnte es kein echtes Lächeln geben. »Adam Chase«, sagte ich.
Sein Gesicht wurde ausdruckslos. »Ich weiß, wer Sie sind, Mr. Chase. Ich habe die Akte gelesen, und ich werde mich nach besten Kräften bemühen, meine Objektivität von dem, was ich weiß, nicht beeinflussen zu lassen.«
Ich blieb ruhig, aber es kostete mich Anstrengung. In New York wusste niemand etwas über mich. Daran hatte ich mich gewöhnt. »Werden Sie das können?«, fragte ich.
»Ich kannte den Jungen nicht, der da ermordet wurde. Ich weiß, dass er beliebt war — ein Footballstar und so weiter —, und er hatte viele Verwandte hier in der Gegend. Ich weiß, dass lautstark über Reiche-Leute-Justiz geklagt wurde. Doch das war alles vor meiner Zeit. Für mich sind Sie wie jeder andere, Mr. Chase. Ich habe keine vorgefasste Meinung.«
Er deutete auf Robin. »Detective Alexander hat mir von Ihrer Beziehung zu dem Opfer erzählt. Keiner von uns sieht solche Fälle gern, aber es kommt darauf an, so schnell wie möglich zu handeln, wenn so etwas passiert. Ich weiß, es ist spät, und wahrscheinlich sind Sie aufgewühlt, doch ich hoffe trotzdem, dass Sie mir weiterhelfen können.«
»Ich werde tun, was ich kann.«
»Gut. Wunderbar. Sie haben das Opfer heute gesehen?«
»Sie heißt Grace.«
Er lächelte wieder, nur war es diesmal ein hartes Lächeln. »Natürlich«, sagte er. »Worüber haben Sie mit Grace gesprochen? In welcher Gemütsverfassung war sie?«
»Ich weiß nicht, wie ich das beantworten soll«, sagte ich. »Ich kenne sie nicht mehr. Es ist lange her. Sie hat nie auf meine Briefe geantwortet.«
Robin schaltete sich ein. »Du hast ihr geschrieben?«
Ich hörte die Kränkung in ihrer Stimme.
Du hast ihr geschrieben, aber mir nicht.
Ich sah sie an. »Ich habe ihr geschrieben, weil sie zu jung war, um zu verstehen, warum ich weggegangen bin. Ich wollte, dass sie verstand, warum ich nicht mehr für sie da war.«
»Erzählen Sie mir einfach von heute«, sagte Grantham. »Erzählen Sie mir den Rest.«
Ich sah Grace vor mir: ihre heiße Haut unter meiner Handfläche, ihren wütenden Groll, einen Unterton von etwas anderem. Ich wusste, wonach dieser Polizist suchte. Er hatte Graces Aussage, und er wollte sie bestätigt sehen. Zum Teufel mit aller Objektivität. Ein Teil meiner selbst wollte ihm diese Bestätigung geben. Warum? Scheißegal.
»Ich habe ihr den Rücken mit Sonnenöl eingerieben. Sie hat mich geküsst. Sie hat gesagt, sie hasst mich.« Ich sah Grantham in die Augen. »Dann ist sie weggelaufen.«
»Sind Sie ihr gefolgt?«
»Das war eine andere Sorte von Weglaufen.«
»Nach einem Wiedersehen, wie die meisten es erwartet hätten, klingt es aber auch nicht.«
Meine Stimme wurde leise und hart. »Wer glaubt, ich hätte Grace Shepherd vergewaltigt, könnte auch behaupten, ich würde meine eigene Tochter vergewaltigen.« Grantham zuckte nicht mit der Wimper. »Aber Töchter werden immer wieder von ihren Vätern vergewaltigt, Mr. Chase.« Da hatte er recht. »Es ist nicht so, wie es sich anhört«, sagte ich. »Sie war wütend auf mich.«
»Warum?«
»Weil ich sie verlassen hatte. Das wollte sie mir klarmachen.«
»Und was noch?«
»Sie sagte, sie hätte viele Männer. Sie wollte, dass ich das wusste. Ich glaube, sie wollte mir ebenfalls wehtun.«
»Wollen Sie damit sagen, sie ist ein Flittchen?«, fragte Grantham.
»Ich will damit nichts dergleichen sagen. Woher soll ich das wissen?«
»Sie hat
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